„Stadtwerke geraten unter Druck“ – „Politische Verantwortung geht anders“ – so die Überschriften eines Artikels und Kommentars in der Süddeutschen Zeitung vom 03.01.2024 – und die Reaktion darauf in einer Presseerklärung der Stadtwerke München (SWM) vom 04.01.2024. Eigentlich müsste es heißen: Stadtrat steht massiv unter Druck.
„Klimanotstand“ als Handlungsimperativ?!?
So auch der Tenor im Kommentar: Der Stadtrat der Landeshauptstadt München mit seiner grün-roten Mehrheit sollte – vier Jahre nach Ausrufung des „Klimanotstandes“ und der Proklamation „Klimaneutralität Stadtverwaltung bis 2030“ – endlich konsequente Klima-Politik machen: Beim Umbau des Kohleblocks im Heizkraftwerk (HKW) Nord auf dauerhaften Erdgas-Betrieb durch die Stadtwerke München müsste der Stadtrat die Laufzeit und die Fahrweise des Gas-Kraftwerks massiv begrenzen – sonst drohe bis zu einer Vervierfachung der CO2-Emssionen gegenüber dem Ende der Kohleverbrennung 2027.
Diese Berechnung, dieses horrende Klimaszenario, nämlich war der Auslöser der mehrfachen Presseberichte, der deutlichen Schreiben des 1. Bürgermeisters der Gemeinde Unterföhring (auf deren Gemarkung das HKW Nord liegt) vom 02.12.2022 und 16.11.2023, der Aufregung im Klimarat am 30.11.23, des Schreibens des 2. Bürgermeisters München vom 06.12.2023: Die Zivilgesellschaft und das Netzwerk Saubere Energie München hatten – in Artikeln, Blog-Beiträgen und E-Mails, mit Grafiken und Aktionen, in Fach- und Pressegesprächen – auf die (unbestrittenen) Fakten verwiesen, dass der Stadtratsbeschluss vom 20.06.2023 zu Gas-im-Kohleblock ohne Last- und ohne Fristbegrenzung zu einer unverantwortlicher Erhöhung von Treibhausgasemissionen führen könne und werde – und dass hierfür eine Änderungsgenehmigung durch die Genehmigungsbehörde erforderlich sei! Die Stadt müsse der Zivilgesellschaft für diese Mahnungen eigentlich dankbar sein, so der Kommentator der SZ.
Neue Erfindung der SWM: Sicherer Kohleausstieg – mit weiterhin möglichem Kohlebetrieb?!?
An dieser Stelle soll nicht nochmals wiederholt werden, was x-fach veröffentlicht ist, zuletzt in unserem Blog-Artikel im Dezember 2023. Hier soll auf die jüngsten Behauptungen und Aussagen von SWM und Stadt-Politik eingegangen werden:
Was tut man als Stadtwerke, wenn man solchermaßen unter Druck gerät?! Eine Presseerklärung herausgeben, wonach doch eigentlich alles bestens im Lot sei: „Im Artikel und im Kommentar wird der Eindruck erweckt, der Kohleausstieg und die Klimafolgen der Fahrweise des Block 2 im HKW Nord im Gasbetrieb seien unsicher. Dies ist nicht der Fall“. Dann können wir alle ja ganz beruhigt zurücklehnen und entspannen! „Vertraut uns! … Jetzt sagen die SWM, dass das Kraftwerk im Gasbetrieb deutlich weniger CO2 ausstoße als bisher. Mag sein. Aber ist es garantiert?“, so der SZ-Kommentar – und das entspricht ganz unsere Meinung: Denn das ist es definitiv nicht!
Schauen wir genauer hin. Schon in der gleichen SWM-Pressemitteilung vom 04.01.24 finden sich Unglaubliches, Widersprüchliches, Unwahrheiten:
Zweiter Satz: „der Kohleausstieg ist sicher“, aber schon im 7. Satz: „der Kohlebetrieb ist weiterhin möglich“! Davon, dass künftig auch weiterhin Kohleverbrennung, statt 100% Ausstieg, möglich sein werde, davon wusste bis vor wenigen Tagen weder die Öffentlichkeit noch der Stadtrat etwas, es gibt auch keinerlei zustimmenden Beschluss hierzu. Die SWM machen, was sie wollen, und veröffentlichen dies in einer Pressemeldung am 04.01.24 in einem Halbsatz. Super!
Und: „Der CO2-Ausstoß des Blocks beläuft sich … bis 2028 auf ca. 4,9 Mio. Tonnen und liegt damit um etwa 1 Mio. Tonnen niedriger als der technisch mögliche Kohlebetrieb“. Eben: Bis 2028 – die Laufzeit des Gas-Kraftwerks soll aber nach SWM („zunächst“) bis 2035 gelten. So auch in der Tabelle im zitierten Stadtratsbeschluss (Link). Diese Tabelle unterstellt dann auch gleiche Fahrweise von Kohle- und Gas-Betrieb – dies ist aber nicht der Fall: Die jahresdurchschnittliche Fahrweise der Kohleverbrennung hat der Stadtrat wegen Klimaschutz auf 38% der möglichen Maximallast begrenzt, bei Erdgas wurde jedoch keine Last-Begrenzung beschlossen, sie kann und wird je nach Fahrweise bis 100% betragen. Das sind dann schon mal 88.000 Kubikmeter Erdgas – pro Stunde! Wenn 38% bei Kohle ausreicht, ohne dass in München die Lichter ausgehen und die Heizungen im Winter einfrieren, warum gibt es dann keine Last-Begrenzung bei Erdgas?
Laufzeitangabe ‚bis 2035‘ vs. Bürger*innen-Entscheid ‚Raus aus der Steinkohle bis 2022‘
Überhaupt, wo kommt eigentlich „2035“ her? Warum soll die Laufzeit des dann „neuen Erdgas-Kraftwerks“ (so die Befürchtungen im Gemeinderat Unterföhring) um mehrere Jahre gegenüber dem möglichen Ende der Kohleverbrennung verlängert werden? „Laufzeit zunächst bis 2035“ ist von den Stadtwerken vorgegeben, wird auch nicht hinterfragt im Stadtrat. Fakten: Der Block 2 ist 1991 in Betrieb gegangen. Ein Ende der Betriebslaufzeit ist rechtlich nicht vorgegeben, die Genehmigung ist unbefristet; aber der Block darf aufgrund Bescheids der Bundesnetzagentur nicht stillgelegt werden, solange er „systemrelevant“ für die Stabilität des bayerischen Stromnetzes ist (bis Fertigstellung der Stromleitung SuedOstLink nach Bayern, vorausssichtlich also 2027/28).
Dann hat „2035“ vielleicht betriebswirtschaftliche Gründe? Nein, die steuerlichen Abschreibungszeiten sind mit z.B. 10 bis 25 Jahren bei E-, Leit-, Bautechnik längst erledigt. Technisch läuft eine solche Großanlage bis sie – trotz regelmäßiger Revisionen und Instandhaltungsmaßnahmen – nicht mehr ihre Funktionen erfüllen kann; das ist aber mehr eine technisch-wirtschaftliche Abwägung hinsichtlich des Erhaltungsaufwandes: Üblich ist eine etwa 35-jährige Laufzeit. Damit wäre ein planvolles Laufzeitende von Block 2 (mit Gas oder Kohle) etwa 2026, also passend zur rechtlich zulässigen Stilllegung aufgrund des Endes der „Systemrelevanz“ 2027/28. Warum also soll die – klimaschädigende – Laufzeit des Blocks 2 im HKW Nord über die übliche hinaus verlängert werden? Für die Strom- und Wärmeversorgung Münchens wird er jedenfalls nicht gebraucht (s.u.).
Aber Ihr könnt uns doch vertrauen, „wir sind Gestalter der Energiewende…“ und überdies nehmen wir, die SWM, doch „den Stadtratsbeschluss zum Bürgerentscheid ernst“ (3. Absatz). Doch irgendwie haben die Verantwortlichen von Stadtpolitik und Stadtwerken den rechtskräftigen Bürgerentscheid von 2017 vielleicht nicht ganz richtig gelesen? Denn der lautete: „Raus aus der Steinkohle bis 2022“ und nicht, wie jetzt beabsichtigt und vom Stadtrat hingenommen: „ein bisschen raus aus Steinkohle bis 2035“.
Bebauung entgegen dem Bebauungsplan der Gemeinde Unterföhring …
Und die Stadtwerke haben doch (4. Absatz), bezogen auf den neuen Bebauungsplan der Gemeinde Unterföhring – der nur noch nachhaltige und nicht-fossile Energieanlagen im HKW Nord zulässt –, ein neues Konzept der Entwicklung des HKW Nord mit Biomasse, Wärmepumpen, Geothermie usw. ausgearbeitet?! Stimmt, wurde in Unterföhring schon im Herbst 2022 vorgestellt. Doch dieses Konzept ist – entgegen der Aussagen der SWM (5. Absatz) – noch zu keinem Zeitpunkt dem Münchner Stadtrat vorgelegt, geschweige denn offiziell beschlossen worden. Außerdem: Der Umbau des im Bestand geschützten Block 2 in ein neues Erdgas-Kraftwerk (gar mit verlängerter Laufzeit) widerspricht eindeutig Sinn und Buchstaben dieses neuen Bebauungsplans. Darauf hat der 1. Bürgermeister von Unterföhring schon im Februar 2023 (und nochmals im November, s. SZ) die SWM-Geschäftsführung schriftlich hingewiesen – bis heute blieben diese Briefe unbeantwortet. Aber die SWM behaupten in ihrer PM: „…haben auch die Gemeinde Unterföhring informiert und werden auch weiterhin transparent darüber informieren“ (5. Absatz). Sorry, aber wenn die Fakten dagegenstehen, hilft auch alles greenwashing nichts.
… und vermutlich genehmigungspflichtiger Umbau ohne Genehmigung der zuständigen Behörde
Dann wird‘s geradezu grausig in der SWM-Presseerklärung (6. Absatz): „Der derzeitige Betrieb ist selbstverständlich von der Genehmigungslage gedeckt“. Oha, die SWM fühlen sich gemüßigt, auf eine Selbstverständlichkeit hinzuweisen – die aber von niemandem in Frage gestellt war. Tatsächlich geht es nicht um den heutigen Betrieb, sondern um die Frage, ob es für Umbau und späteren Erdgas-Betrieb einer vorherigen rechtlich gültigen, behördlichen Änderungsgenehmigung bedarf. Nicht nur uns, dem Netzwerk Saubere Energie München, liegt die juristisch eindeutige Auskunft vor, dass ein „Umbau im Bestand“ ohne Änderungsgenehmigung nur erfolgen dürfe, wenn er „identisch“ sei zur genehmigten Lage. Darauf hat auch die Gemeinde Unterföhring in ihrem Schreiben an SWM hingewiesen – worauf in einem weiteren SZ-Artikel vom 10.01.24 nochmals gepocht wurde.
Die Regierung von Oberbayern als Genehmigungsbehörde schrieb am 20.02.2023, dass sie mangels Informationen seitens der SWM mittels einer „Änderungsanzeige“ keine rechtliche Würdigung vornehmen könne, ob ein förmliches Genehmigungsverfahren erforderlich sei; verweist gegenüber der SZ aber auch klar darauf, dass der Kraftwerksbetreiber zur Vorlage solcher Unterlagen verpflichtet ist. Doch die Stadtwerke beabsichtigen weder eine Änderungsanzeige noch einen Genehmigungsänderungs-Antrag einzureichen, weil der Umbau nach ihrer Einschätzung im Rahmen der vorliegenden Genehmigung erfolge – was sich mangels Unterlagen nicht überprüfen lässt. Zur Erinnerung: Es handelt sich um den seinerzeitigen „Planfeststellungsbeschluss“ von 1991, mit dem die „Abfallbeseitigungsanlage HKW“ (inkl. Block 2), genehmigt wurde – heute ist von Abfallbeseitigung im Block 2 nicht die Rede (die Klärschlamm-Mitverbrennung wurde seinerzeit zwar trickreicherweise mit-beantragt, aber nie betrieben) und auch nicht davon, dass identische Bauteile wie seinerzeit eingebaut würden. Tatsächlich soll im bestehenden Kohlekessel Block 2 nach mündlichen SWM-Aussagen im Stadtrat (im Juni 2023) die gesamte Brenner-Mimik, die Elektro- und Leittechnik sowie Teile der Rauchgasreinigung für mehrere Millionen Euro umgebaut werden – aber doch ganz sicher nicht mit Bauteilen, die in den 1980ern schon bekannt, geplant und genehmigt wurden?!
Informations-Sackgasse für Zivilgesellschaft und Klimarat
Ja, aber der Stadtrat hatte (auf Änderungsantrag einer Oppositionspartei, nicht aufgrund SWM-AWi-Beschlussvorlage) im Juni doch beschlossen, dass die Stadtwerke diverse Informationen zum Gas-Umbau vorlegen sollen?! Haben sie aber ein halbes Jahr später noch immer nicht. Angeblich, weil sie (siehe SZ) noch zu wenig Informationen hätten. Wie kann das sein: Der Umbau auf Erdgas hat nichts mit einer Klimaschutz-Begrenzung von Fahrweise und Laufzeit des Blocks zu tun. Egal, wie genau die Technik aussehen wird, könnten doch längst seriöse Szenarien von Treibhausgasemissionen je nach Last und Betriebsdauer des neuen Erdgas-Kraftwerks erstellt und veröffentlicht werden?! Die Erdgas-Fahrversuche wurden 2021 und 2022 durchgeführt (unabhängig von der Frage, ob Gasbetrieb im Kohle-Kessel Block 2 überhaupt möglich ist und mit welchen Folgen, wenn z.B. an den Asche-Regen im Sommer 2022 gedacht wird)). Die Sicherheitsbedenken des TÜV Süd für Bevölkerung und Beschäftigte stammen von 2019, der erste Stadtratsbeschluss mit SWM-Planungsbeauftragung war im März 2022 – und bis heute gib es keine Unterlagen, keine zielführenden Informationen?
Gleichzeitig ist bislang weder die vorgeschriebene „Klimaneutralitätsprüfung“ erfolgt, oder wenigstens in Auftrag gegeben. Noch wurde der Klimarat – der satzungsgemäß zu jeder klimarelevanten Stadtratsvorlage eingeschaltet werden muss – trotz entsprechender zielgerichteter Anfragen von den zivilgesellschaftlichen Vertreter:innen weder zu den Gas-Umbau-Beschlüssen 2022 noch 2023 befragt oder wenigstens um Stellungnahmen gebeten. Das alles soll Zufall, reines missverständliches Versäumnis sein? Wenig glaubwürdig, wenig transparent.
Block 2 für Strom- und Wärmeversorgung (ir)relevant?
Apropos Stadtrat: Nach Aussage der SZ ist die Haltung der SPD, dass über die Zukunft von Block 2 erst im Zuge der Münchner Wärmeplanung, also verbindlich frühestens gegen Ende 2024, entschieden werden könne, wenn also klar sei, in welchem Umfang und wie lange das neue Gas-Kraftwerk (noch) gebraucht werde. Die GRÜNEN finden die Forderung aus der Zivilgesellschaft nach einem Umbau auf Gas mit anschließendem (auch nach SWM-Aussagen technisch und rechtlich zulässigen) ausschließlichem Warm-Standby-Betrieb nur für Notfälle als „unseriös“ (SZ), weil die Fernwärme mit hohen Treibhausgasemissionen dann halt in anderen Kraftwerken erzeugt werden müsse.
Beide Mehrheits-Parteien im Münchner Rathaus gehen also davon aus, dass der Block 2 (ob Kohle mit 38% oder mit Gas 100%) für die Fernwärmeversorgung Münchens erforderlich sei. Aber wie kann es sein, dass die Verantwortlichen im Rathaus die Ergebnisse der von ihnen selbst beauftragten Gutachten nicht zur Kenntnis nehmen (wollen)? Hat doch der TÜV Süd in seinem Gutachten im Oktober 2019 (als Bewertung des Bürgerentscheids ‚Raus aus der Steinkohle‘) in Klarheit festgestellt, dass der Block 2 für die Stromversorgung Münchens „irrelevant“ und hinsichtlich der Wärmeversorgung Münchens nur „in Reservefunktion“ erforderlich ist (also nicht für den normalen Regelbetrieb, auch nicht im Winter). Dies ist dadurch begründet, dass es in München schon 2019 ausreichend Kapazitäten an Geothermieanlagen und Heizwerken zur Wärmeversorgung für die Fernwärmenetze Münchens gab. Zusätzlich ist 2023 auch noch die größte Geothermie-Fernwärmeanlage Europas am Standort Schäftslarnstraße neu in Betrieb genommen worden.
Einziger Einsatzfall: Der ’n-1-Notfall‘
Also: Weil es ausreichend Wärme-Kapazitäten gibt, ist HKW Nord Block 2 nur „in Reserve“ erforderlich: Nämlich (aufgrund einer EU-Norm) im sog. „n-1-Notfall“, also immer dann, wenn draußen an mehreren Tagen Außentemperaturen von minus 16 Grad Celsius herrschen und zugleich die nächst-größere Wärmequelle, das HKW Süd, vollständig ausfiele. Zwar war es in den letzte zehn Jahren nie kälter aus -10oC und das HKW Süd ist auch schon ausgefallen, aber nicht wenn’s kalt war – aber trotzdem muss für „n-1“ vorgesorgt werden. Dazu bedarf es aber nicht eines (neuen) Erdgaskraftwerks mit Maximalleistung: Es würde schon die (vom Ökoinstitut Freiburg im November 2019 gutachterlich) vorgeschlagene, viel kostengünstigere und viel klimafreundlichere „Kleine Heizwerke-Lösung“ nur für den Notfall (ohne neue Standorte oder Heizwerke) genügen.
Alternativ – und alles andere als „unseriös“ – wäre eben einen auf Gas umgebauten Block 2 im „Warm-Standby“ eine Option. Denn dieser könnte (im Gegensatz zu Kohle) im Notfall binnen weniger Stunden mal für wenige Stunden, mal für wenige Tage im Jahr, hochgefahren werden – und damit auch die Bedingungen der „Systemrelevanz“ für die Stabilität der südbayerischen Stromnetze erfüllen. Für einen Fernwärmeversorgungs-Regelbetrieb auch im Winter wird der Block 2 schließlich nicht gebraucht. Diese Situation gutachtet unbestritten der TÜV Süd, wissen die Stadtwerke, wissen die Engagierten der Zivilgesellschaft, wissen alle, die das TÜV-Gutachten 10_2019 gelesen haben – aber wollen die Stadträt:innen im Rathaus nicht wissen?! Gilt dann doch die (in der SZ vermutete) Entscheidungsregel, dass Gewinnerzielung für die Stadtwerke und damit die Gewinnabschöpfung für den städtischen Haushalt in Höhe von 100 Mio. Euro jährlich wichtiger ist als Klimaschutz?!
Stadtratsbeschluss: Großes Chaos
Ja, und was genau hat der Stadtrat im Juni 2023 denn nun eigentlich beschlossen? Die SZ hat dies mühselig nach-recherchiert: Großes Chaos. Fest steht, dass – nach Aussagen des für die SWM zuständigen Referats für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München – nicht beschlossen wurde, dass es Klimaschutz-Begrenzungen hinsichtlich Last und Laufzeit des auf Gas umgebauten Block 2 geben solle. Ebenso sollte hierüber nicht nochmals eine Entscheidungs-Vorlage erstellt und (in 2024) kein weiterer Stadtratsbeschuss eingeholt werden – der Beschluss vom Juni 2023 sei eindeutig und final. Dies stehe allerdings angesichts der Versorgungslage unter „Machbarkeitsvorbehalt“, und nur in diesem Fall müssten die Stadtwerke die vom Stadtrat angeforderten Unterlagen seitens SWM beigebracht werden (SZ). Das scheint zu stimmen, denn der 2. Bürgermeister Münchens antwortet an die Zivilgesellschaft auch nur, dass der (beratende) Klimarat am 06.02.2024 befasst werden solle, vom (einzig entscheidungsberechtigten) Stadtrat ist nicht die Rede, auch nicht von Last- und Laufzeitbegrenzungen des Block 2.
Also: Die Stadtwerke München sind vom Stadtrat beauftragt und ermächtigt, im Sommer 2024 (wohl ab Mai/ Juni) den Kohleblock 2 im HKW Nord auf dauerhaften Erdgasbetrieb umzubauen. Dies ohne jegliche Klimaschutz- und CO2-Begrenzungen hinsichtlich Fahrweise (deutlich unter 38% oder besser Warm-Standby) und Laufzeit (bis Ende „Systemrelevanz“, vorauss. also 2027/28). Aber auch zu „Kohle weiterhin möglich“ ist nichts Ablehnendes beschlossen, auch nichts zur Einholung von behördlichen Genehmigungen (ein förmliches Genehmigungsverfahren nach Bundes-Immissionsschutz-Gesetz mit Öffentlichkeitsbeteiligung dauert im günstigsten Fall ein Jahr!) – oder gar einem Einverständnis mit der Gemeinde Unterföhring.
Wie sagte doch der Kommentator in der Süddeutschen Zeitung so klar: „Politische Verantwortung geht anders“. Klimaschutz auch.
Quellen:
- Antwort der Landeshauptstadt München vom 03.02.2022 auf einer Anfrage der Stadtratsfraktion DIE LINKE. / Die PARTEI
- Stadtratsbeschluss zu HKW Nord am 18.06.23
- SZ-Artikel ‚Stadtwerke geraten unter Druck, 03.01.2024 (Link, Paywall)
- SZ-Kommentar ‚Heizkraftwerk Nord: Politische Verantwortung geht anders‘, 03.01.2024 (Link, Paywall)
- SWM-Pressemitteilung ‚SWM zum heutigen Artikel „Stadtwerke geraten unter Druck“ in der SZ‘, 04.01.2024 (Link)
- SZ-Artikel ‚Unterföhring fordert Klarheit von den Stadtwerken München‘, 10.01.2024 (Link, Paywall)
- Fossil Free München
- München Zero
Soweit andere Gutachten etc. im Artikel angesprochen aber die Quellen aus Übersichtlichkeitsgründen nicht angegeben sind, können diese jederzeit beim Netzwerk Saubere Energie angefordert werden, info@energienetzwerk-muc.de