Netzwerk Saubere Energie München

Lützerath – Braunkohle statt Klimagerechtigkeit

Die Räumung von Lützerath für die Erweiterung des Braunkohletagebaus Garzweiler II war in den letzten Wochen bei uns allen sehr präsent, einige aus unserem Netzwerk waren auch selbst vor Ort. Aus München waren für die Großdemo am Samstag insgesamt fünf Busse und viele Menschen per Zug angereist, wobei wir viele gute, aber auch viel zu viele sehr schockierende Erfahrungen gemacht haben. Zu den Hintergründen der Diskussion um Lützerath (Gute Überblicke gibt es von den Aktiven vor Ort findet man hier)  gäbe es viel zu schreiben, wir wollen uns auf die Energie- und Klimapolitischen Aspekte konzentrieren:

Mehr als nur ein Symbol: Lützerath und die Kohle

Laut der Vereinbarung zwischen RWE und Landesregierung sollen bis 2030 noch 280 Millionen Tonnen Braunkohle aus dem Tagebau Garzweiler geholt werden – das sind 120 Millionen Tonnen mehr als ohne Lützerath möglich gewesen wäre, und 230 Millionen Tonnen mehr als konform mit der 1,5 Grad Grenze (Für die Diskussion um Budgets ist diese Studie sehr lesenswert.) Dabei erhöhen jahrelang länger betriebene große Kraftwerke die Gesamtmenge der verbrannten Braunkohle. Das ist laut Studien weder mit dem 1,5 Grad Ziel vereinbar, noch für die Stromversorgung notwendig – trotz des Gasengpasses, der ohnehin schon größtenteils überwunden ist. Dies zeigen auch Studien des DIW und von Aurora.

Es wird also vor 2030 mehr Braunkohle verbrannt als geplant, während man sich für einen 2030er Kohleausstieg feiert, der sich vermutlich durch CO2-Bepreisung sowieso ergeben hätte. Eine zentrale Forderung der Fridays for Future wird so ad absurdum geführt, wozu sich diese in der TAZ auch ausführlich geäußert haben.

Der ETS Handel: Leider keine Rettung

Lützerath war ein Zuhause und ein Ort der Freiheit für viele Menschen – Orte für Braunkohle zu zerstören ist heutzutage nicht mehr rechtfertigbar, ganz unabhängig von klimapolitischen Auswirkungen. Trotzdem wird von einigen gegen die Proteste in Lützerath das Argument gebracht, Lützerath sei wegen des europäischen Zertifikatehandels ETS nur ein Symbol und die Abbaggerung ohne Auswirkung auf Emissionen. Das ist leider, wenn man genau hinschaut, nicht richtig: Der ETS ist nur eine Säule der Klimapolitik im Energiebereich, gerade für die Klimaziele Deutschlands stellt die Ausweitung der Braunkohleverstromung ein Problem dar – das 1,5 Grad Ziel wird für Deutschland unerreichbar, aber auch die bestehenden Klimaziele im Energiesektor sind gefährdet.

Aber auch auf europäischer Ebene ergeben sich eine Reihe Probleme. Die Reduktionsziele des ETS sind nicht konform mit 1,5 Grad, bräuchten also eine weitere Verschärfung, die bei hohen CO2-Preisen politisch kaum denkbar ist. Dem gegenüber steht die reale Gefahr, dass das ETS System abgeschwächt wird, wenn CO2-Preise zu stark steigen. Der Erhalt einer riesigen ineffizienten, aber für den Besitzer RWE kostengünstigen CO2-Quelle wie dem rheinischen Braunkohlerevier erhöht die CO2 -Preise und damit den politischen Druck auf den ETS, während ein nicht nur durch Preissignale gestütztes Abschalten von Kohlekraft den Druck auf den ETS verringert und Verschärfungen vereinfacht. Zudem ist Klimapolitik mehr als nur Preissignale – die Ausweitung eines Braunkohletagebaus in einem der reichsten Länder der Welt sendet ein furchtbares Signal an alle Staaten, die ihre eigenen Diskurse um Kohle führen. (Vergleiche auch hier und hier)

Unverhältnismäßige Polizeigewalt in Lützerath

Neben allen Energiepolicydiskussionen bewegt aber noch ein ganz anderer Aspekt viele engagierte Menschen nach diesem Wochenende: Die Räumung von Lützerath war schon die ganze Woche durch viel systematische Polizeigewalt wie Schmerzgriffen, Missachten der Sicherheit von Aktivist*innen und andere Grundrechtsverletzungen wie die Verletzung der Pressefreiheti gekennzeichnet, vermutlich um möglichst noch vor der Großdemo Lützerath dem Erdboden gleich zu machen. Am Rand der Demo am Samstag kam es dann abermals zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung der Polizei. Viele engagierte Menschen, die sie erleben mussten, werden noch einige Zeit für die Verarbeitung des Erlebten brauchen. Menschen wurden von der Polizei umgerannt, es wurde scheinbar mit Schlagstöcken auf Köpfe geschlagen und es kam zu einigen Knochenbrüchen – völlig unverhältnismäßig, da es nicht um die Abwehr von Gefahr für Leib und Leben ging, sondern – wenn überhaupt – um das Verhindern des Betretens eines Privatgeländes. 

Es ist schockierend, wie mit tausenden Polizist*innen eine Energieform verteidigt wird, die überholt ist. Wir hoffen, man lernt politisch daraus und gibt Klimaschutz endlich die notwendige Priorität – sowohl im Rheinland als auch in München und Bayern.