Netzwerk Saubere Energie München

Symbolische Netzwerk-Aktion: SWM-Chef beleidigt Klimaaktivisti

Am 09.07.2021 haben wir u.a. mit Extinction Rebellion, Fossil Free und Fridays for Future München die Stadtwerke München (SWM) verklagt. In Anlehnung an die erfolgreiche Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht und dem wegweisenden niederländischen Urteil gegen den Shell-Konzern haben wir eine symbolische Gerichtsverhandlung inszeniert. Wir finden: Wegen ihrer Beteiligung an der Erdölförderung in der Nordsee (über den Konzern Spirit Energy) gehört SWM vor Gericht – und wir scheuen uns nicht, unsere Gründe für diese Meinung öffentlich kundzutun.

Wie es sich für ein ordentliches Gerichtsverfahren gehört, haben wir natürlich auch der beklagten Seite – den SWM – die Möglichkeit gegeben, an unserer Veranstaltung teil- und Stellung zu nehmen. Leider hat der Chef der SWM, Vorsitzender der Geschäftsführung Herr Dr. Bieberbach, unser Angebot ausgeschlagen. Und das mit äußerst drastischen Worten:

„Was Sie ausgerechnet vor dem Justizpalast veranstalten wollen, hat mit Rechtsstaat und faktenbasierter Urteilsfindung offensichtlich nichts zu tun. Ihre Beschreibung erinnert eher an Schauprozesse totalitärer Regime.“, so warf uns Dr. Bieberbach vor. Weiter: „Ihre geplante Veranstaltung ist eine Schande für die Umweltbewegung und eine Verhöhnung des Rechtsstaats! Nur weil man für eine gute Sache, den Klimaschutz, kämpft, sind nicht alle Mittel erlaubt. Wer für das Gute kämpft, muss auch mit vorbildlichen Mitteln kämpfen!“

(zitiert: E-Mail von Herrn Dr. Florian Bieberbach an info@energienetzwerk-muc.de vom 06.07.2021)

Selbstverständlich lassen wir derlei Anschuldigungen nicht unkommentiert auf uns sitzen. Wir freuen uns natürlich, dass Herr Dr. Bieberbach Klimaschutz als eine „gute Sache“ interpretiert – das ist doch schon mal was! – aber darüber hinaus sind wir natürlich signifikant anderer Meinung als er:

Sehr geehrter Herr Dr. Bieberbach,

vielen Dank für Ihre Antwort auf unsere Einladung. Dass Sie sich geärgert haben über unsere symbolische Gerichtsverhandlung am 09.07.2021 vor dem Justizpalast haben wir nun zur Kenntnis genommen. Aber auch, dass in Ihrem Antwortschreiben nichts zur Begründung oder Rechtfertigung der klimaschädigenden SWM-Geschäfte mit Spirit Energy steht. Und das ärgert uns, Menschen jüngeren Alters: Dass Sie unsere zukünftigen Freiheitsrechte durch die klimaschädlichen Geschäfte der SWM beschneiden – und uns als Klimaaktivist*innen wiederum Demokratiefeindlichkeit vorwerfen. Schon 2017, als die ersten Anträge zum Ausstieg der SWM aus Spirit Energy in Energiekommission und Stadtrat gestellt wurden, haben Sie uns als „selbsternannte sogenannte Klimaschützer“ beschimpft.

Wie ihre Antwort zeigt, ist es Ihnen höchst unangenehm, gegenüber uns und der allgemeinen Öffentlichkeit Verantwortung für Ihr Erdöl- und Erdgasgeschäft zu übernehmen. Wir werden aber trotzdem die drastischen Auswirkungen auf das Klima und auch die finanziellen Verluste, die dadurch entstanden sind und nach wie vor entstehen, transparent machen und öffentlichkeitswirksam problematisieren. Nicht zuletzt, um auch die enormen finanziellen sowie rechtlichen Risiken öffentlich bekannt zu machen, die München und auch den städtischen Haushalt empfindlich treffen können, wenn kein alsbaldiger vollständiger SWM-Ausstieg aus Spirit Energy erfolgt.

Dazu nutzen wir demokratische Möglichkeiten wie Demonstrationen, Kundgebungen sowie symbolische Aktionen und vernetzen uns mit Messenger-Diensten, wie es die gesamte For-Future- und Klimagerechtigkeitsbewegung weltweit schon lange tut. Die einzige mittelalterliche Tradition, in der wir uns mit unseren Aktionen stellen, ist die der Narren-Gerichte, mit der auch schon im Mittelalter Bürger*innen öffentlich Machstrukturen, Missstände und Probleme öffentlich sichtbar kritisiert haben. Aktionen und Demonstrationen dieser Art fallen im Übrigen unter das Recht auf freie Meinungsäußerung, das im Grundgesetz festgeschrieben steht.  

Wenn dabei Konzerne, die unvermindert an fossilen Geschäftsmodellen festhalten, unter Druck geraten, dann ist das beabsichtigt; und wir hoffen, dadurch entscheidende Transformationsprozesse in den Unternehmen und bei ihren (Aktien-) Eigentümer*innen – wie z.B. bei Shell, Chevron oder auch im Stadtrat der Landeshauptstadt München – anzustoßen. Ohne unseren andauernden politischen Druck beispielsweise hätten die „Regierungsparteien“ im Rathaus nicht im November 2020 den Antrag gestellt, dass die Stadtwerke einen Ausstiegplan aus Spirit Energy vorlegen sollen. Denn im Gegensatz zu Ihrer Aussage: Sie und die SWM haben bis heute weder einen Ausstiegsplan vorgelegt, noch einen konkreten zeitnahen Ausstiegstermin benannt. Und der Stadtrat hat hierzu auch noch gar nichts beschlossen. 

Das „Urteil“ gegen die Stadtwerke am 09.07. stand übrigens nicht schon lange vorab fest; Sie hätten Ihre Chefjurist*innen oder Öffentlichkeits-Verantwortliche(n) als „Verteidigung“ zu unserer „Gerichtsverhandlung“ entsenden können und damit das „Gericht“, aber auch die (anwesende und medieninformierte) Öffentlichkeit beeindrucken können. Möglicherweise werden wir uns ja bald – wie beim Shell-Konzern geschehen – in einem echten Gerichtsverfahren gegen die Stadtwerke wegen deren andauernder Klimaschädigung mittels Spirit Energy zulasten der Freiheitsrechte jüngerer Menschen wiedersehen.

Jedenfalls legen wir die faktenbasierten Anklagen, die Reden von Verteidigung, Gutachter, Zeugen und nicht zuletzt das „Urteil“ unseres symbolischen Gerichtsverfahrens vom 09.07. bei. Wir versprechen Ihnen, weiterhin öffentlich deutlich sichtbar den Ausstieg aus Spirit Energy zu fordern, bis die SWM vollständig ihre Erdöl-/Erdgas-Geschäfte beendet haben.

(zitiert E-Mail vom Netzwerk Saubere Energie München an Dr. Florian Bieberbach vom 16.07.2021)

Unsere Anklagepunkte gegen die SWM samt Begründung und „Urteil“ hier als PDF zum Download: