Netzwerk Saubere Energie München

Graphik zur zeitlichen Entwicklung des Umbaus von fossiler Wärme zu Geothermie

Dekarbonisierung der Fernwärme in München: Gewaltiger SWM-Transformationsplan – mit gewaltigen Lücken

Die Hälfte der Energie und mehr als 30% der CO2-Emissionen in Deutschland entfallen auf den Gebäudesektor, insbesondere für Warmwasser und Raumwärme. Allein 1,7 Tonnen CO2 Jahres-Pro-Kopf-Emissionen werden in Deutschland für’s Heizen „verbraucht“ – das entspricht ca. 18%. Auch 2023 blieb der CO2-Ausstoss des Gebäudesektors unverändert hoch: Neben den Sektoren Verkehr und Landwirtschaft ist „Wärme“ eine der großen „Klima-Sünder“. Bekanntlich hat die Bundesregierung am 01.01.2024 unter anderem das Gebäude-Energie- und das kommunale Wärmeplanungs-Gesetz beschlossen, um auch im Gebäudebereich „klimafreundlicher“ zu werden – Stichwort: Beim Heizen künftig mindestens 65% erneuerbare Energien.

Wie ist die Lage in München?

Der Stadtrat der Landeshauptstadt München hat 2019 das Ziel beschlossen, „München klimaneutral bis 2035“! Doch wie bekommen wir die Wärmeversorgung klimaneutral? Durch Reduktion des Energiebedarfs für Warmwasser und Wärme: Eine Reduktion um 40% wären notwendig, allein weniger Duschen wird nicht reichen… Die Gebäude-Sanierungsrate liegt – auch in München – bei etwa 1% pro Jahr. Das würde bedeuten, dass eine Wärmebedarfsreduzierung binnen 100 Jahren stattfindet??? Soweit es im Handlungsbereich der Stadt liegt, wäre weit mehr notwendig: Schneller auch stadteigene und wohnungsstädtische Gebäude energetisch sanieren, öffentliche und private Neubauten nur noch mit höchstem Wärme-Standard bauen, mehr (kommunale) Fördermittel und Haus-zu-Haus-Beratung für sanierungsfähige Privatgebäude und Mietwohnungsbau…

Nun hat die Stadt bereits mit der „Wärmeplanung München“ begonnen – durchaus als eine der bundesweiten Vorreiterinnen unter den Großstädten. Am 16.04.2024 sollen die ersten Grundzüge dazu im Stadtrat beschlossen werden, 2026 muss der verbindliche Wärme-Plan für (ganz) München „stehen“ und spätestens ab 2040 wirken. Das geht in zwei „Teilpaketen“ vor sich: Zum einen soll die Dekarbonisierung der (zu verdichtenden und zu erweiternden) Fernwärmeversorgung (FW) in München weitergetrieben werden. Zum anderen geht es um eine klimafreundlichere Wärmeversorgung außerhalb von FW-Netzen. Das bezieht sich beispielsweise auf Gegenden, in denen mittels Quartierskonzepten eine Nahwärme-Versorgung (zum Beispiel auf Basis größerer Grundwasser-Wärmepumpen mit Quartiers-Ringleitung) möglich sind. Das bezieht sich aber auch auf Gebiete, in denen teil-dezentralisierte Konzepte nicht möglich sind und „individuelle“ Lösungen gefunden werden müssen. Dafür wären zum Beispiel (Luft-) Wärmepumpen statt alter Ölheizungen in Einfamilienhäusern hervorragend geeignet.

Vermeidung von Treibhausgasen – Dekarbonisierung der Fernwärme

Größter Brocken dabei ist die Dekarbonisierung der Fernwärme: Diese kann umgesetzt werden mittels erneuerbarer Energien, insbesondere Geothermie, unvermeidbarer Abwärme, Bio-Heizkraftwerken sowie des Dampfes aus der Müllverbrennung (die in München im Gegensatz zur Europäischen Rechtslage als „regenerativ“ eingestuft wird). Münchens Fernwärmeverbundnetz ist dabei mit 997 km Trassenlänge eines der größten in Europa – dank kluger Entscheidungen in den 1980er Jahren.

Über 30% der Wärme in den sechs Fernwärme-Teilnetzen wird mit Dampf oder Heißwasser zwecks Umwandlung in Brauchwasser und Heizungswärme in den „Heizungskellern“ eingespeist. Dazu werden insgesamt fünf Steinkohle- bzw. Erdgasbefeuerte
Heiz- und Heizkraftwerke in beziehungsweise für München betrieben (siehe Graphik). In puncto Geothermie sind zwei der Teilnetze (Riem und Freiham) bereits auf Geothermie umgerüstet. Am Standort Schäftlarnstr. ist 2023 Europas größte Geothermieanlage in Betrieb gegangen. In Sauerlach, Dürnhaar und Kirchstockach außerhalb Münchens sind Geothermieanlagen errichtet oder seitens SWM (teil-) gekauft.

Fernwärmenetze und Umstellgebiete in München: Karte mit den Kraftwerken der Stadtwerke München sowie in dunkelblauer Farbe dargestellt die „Fernwärmenetze Dampf“ und in hellblauer Farbe die „Fernwärmenetze für Heizwasser“. Die mit einem Stern gekennzeichneten Projekte befinden sich in Bau. © Grafik: SWM, Merkur

Wie weiter mit Geothermie in München?

Aufgrund der sehr gut geeigneten hydrogeologischen Verhältnisse des bayerischen Molassebeckens bietet sich der konsequente Umbau der fossilen Fernwärmeversorgung insbesondere auf Geothermie sowie deren Flächenerweiterung und -verdichtung an: Im Umland sollen weitere Geothermieanlagen – z.T. mit kommunalen oder privatwirtschaftlichen Partnern – im Südosten und Norden Münchens erschlossen werden. Dies setzt jedoch in den meisten Fällen Kooperationen mit (unterschiedlichen) Kommunen und/ oder privatwirtschaftlichen Investoren voraus. Beispielsweise liegen die potenziellen bergbaurechtlichen Lizenzgebiete für Tiefenbohrungen außerhalb der Stadt München eben nicht bei den Stadtwerken, sondern – oftmals überschnitten – bei Dritten, vielfach Nachbargemeinden. Diese müssen dann zustimmen, wenn die Stadtwerke oder eine (Tochter-) Gesellschaft etwa auch mit dieser Gemeinde bohren möchte.

In der Regel müssen für neue Geothermie- oder Biomasse-Heiz- bzw. -Heizkraftanlagen kommunale Bebauungspläne der jeweiligen Gemeinden geändert oder neu geplant und durch die jeweiligen Gemeinderät*innen beschlossen werden. Soweit es vor Ort jeweils schon kommunale und/ oder privatwirtschaftliche Gesellschaften gibt, die bereits Bohrungen durchgeführt haben und Anlagen betreiben oder dies beabsichtigen und über Grundstücke verfügen, so müssen diese zu (finanzieller, gesellschaftsrechtlicher…) Kooperation mit den SWM bereit sein. Doch von den ins Auge gefassten potenziellen Partnern und Kommunen sind ob der oftmals gezeigten Dominanz der Stadtwerke und ihrer „Kooperationsangebote“ nicht alle angetan, die Verhandlungen erweisen sich vielfach als „schwierig“. Und auch hier müssen Fernwärme-Pipelines nach München hinein erst noch konzipiert werden.

Ganz konkret: Geothermie-Ausbau in München

Innerhalb Münchens wird für den Standort Michaelibad (Ostpark) statt 2025 aktuell mit Fertigstellung im Jahr 2029 gerechnet, für den Standort Virginia Depot (Feldmoching-Hasenbergl) hat nach kürzlicher Stadtrats-Zustimmung zu einem noch zu erstellenden Bebauungsplan die technische Vorplanung begonnen. Insgesamt planen die Stadtwerke derzeit wohl zehn Geothermie-Vorhaben in und um München mit insgesamt mehr als 50 neuen Tiefenbohrungen – nach unserer Kenntnis liegen diesen Projekten hydrogeologische Gutachten über die Mächtigkeiten, Thermalwassertemperaturen und -fündigkeiten sowie Erwartungswerte für thermische Leistungen aus dem Tiefengestein zugrunde. Ergänzt werden sollen die bestehenden und neuen Geothermieanlagen durch Großwärmepumen für die Mittellast, welche die verbliebene Wärme aus dem Rücklauf des genutzten Heizungs-Wassers unter Einsatz von (Öko-?) Strom erneut aufheizen und in Nutzwärme wandeln können. Zwecks Wärme-Austauschs zwischen den einzelnen Fernwärmenetzen werden zudem (größere) Wärmeübergabestationen an geeigneten Stellen im Verbundsystem erforderlich.

Aber: Innerhalb des Stadtgebiets sind bis heute keine neuen Standorte für Geothermieanlagen, Groß-Wärmepumpen oder ähnliches ausgewiesen, auch keine potenziellen Trassen für Transport- oder Verbindungs-Leitungen. Dabei besonders negativ zu bewerten: Bislang ist nirgendwo zu erkennen, wo und wie die bestehenden Fernwärmeversorgungsnetze (nennenswert) ausgeweitet werden sollen. Räumlich wäre das etwa möglich zulasten von Stadtgebieten mit überwiegender Erdgas- oder Öl-/ Kohle-Einzel-Beheizung. Nicht einmal in neu zu erschließenden Stadtteilen, wie im Nordosten von München, sollen neue Fernwärmeversorgungsgebiete mit einem Geothermie-Standort ausgewiesen und errichtet werden (stattdessen wird mit Erdgas geplant!).

In der Beschlussvorlage zur Stadtrats-Sitzung am 16.04.2024 heißt es dazu nur: „… wurden die Trassenlängen und Dimensionierungen für Versorgungs- und Anschlussleitungen aufgrund der noch nicht konkret geplanten Erschließung mittels Erfahrungswerten abgeschätzt. In Summe sind bis zum Endausbau im Jahr 2045 erhebliche Netzerweiterungen notwendig, mit einem Zuwachs der Trassenlänge von mehr als 50%“. Das wäre durchaus begrüßenswert – aber Konkretes zu sehen ist bislang nicht (s.u. Anmerkungen zu „STEP 2040“).

Anschluss-Rate auf Gebäude-Ebene

Bezüglich der Anschlussrate von Gebäuden innerhalb von Fernwärmegebieten von je nach Teilnetz derzeit 30% bis 60% der Gebäude (also der Verdichtung) ist festzuhalten, dass sich die SWM in der Vergangenheit – wenig Klima-orientiert – auf für sie „wirtschaftliche Projekte“ wie öffentliche Gebäude, Gewerbebetriebe, Hotels, Großwohnanlagen etc. konzentriert haben. Vielfach wurden anschlussfähige (Einzel-) Gebäude seitens SWM aus Kostengründen und trotz hoher „Anschlussgebühren“ nicht angeschlossen. Insbesondere ist das auch nicht geschehen, wenn sich Eigenheimler*innen einer Anliegerstraße zusammengeschlossen haben und bereit waren, einen Teil der Kosten für den Straßen-Fernwärmeanschluss selbst zu tragen.

In der Beschlussvorlage für den 16.04.2024 schreiben die Stadtwerke nun: „In Verdichtungsgebieten wird derzeit etwa 60% des Wärmebedarfs über Fernwärme gedeckt. Es wird angenommen, dass in diesen Gebieten der Großteil der Objekte, die heute noch mit einer Erdgas- oder Öl-betriebenen Heizanlage ausgestattet sind, bis 2045 an die Fernwärme angeschlossen werden“. Mit über 56% Kundenanschlüsse bis 2045 rechnen die SWM also. Diese Entwicklung ist dann aber auch abhängig von der Preis-Politik der Stadtwerke, die – wir haben mehrfach berichtet – alles andere als sozial-orientiert und kundenfreundlich oder gar „klimafreundlich“ gilt.

Als erheblich erschwerend beim Transformationsprozess Wärme wird sich der verschleppte Umbau des großen „Dampfnetz Innenstadt“ erweisen: Wegen des hohen Temperaturniveaus von Dampf (120oC) kann nur das nördliche Drittel mit Heiß-Dampf weiter versorgt werden (aus der Müllverbrennung im Heizkraftwerk Nord und der Fernwärmeverbundleitung durch den Englischen Garten). Die gesamte Innenstadt-Wärmeversorgung muss umgerüstet werden, um Geothermie-tauglich zu werden (Temperaturniveau 80°C – 90°C) – das ist aufwändig, belastet die angeschlossenen Kund*innen und ist für Anwohner*innen, Straßennutzer*innen und Kommunalpolitik „unerquicklich“: Jede Straße in der Münchner Innenstadt muss für mindestens eine Woche aufgerissen werden! Aber: Dazu ist kein Wort zu lesen in der Stadtratsbeschlussvorlage 16.04.2024!

Klimaneutralität heißt auch vollständige Dekarbonisierung der Fernwärme

Klimaneutralität München bis 2035“, so der Stadtrat, würde auch die vollständige Dekarbonisierung der Fernwärme einschließen. In ihrer „Fernwärmevision“ aus 2012 und jetzt im Stadtratsbeschluss 16.04.2024 zur Wärmeplanung, Teil Fernwärmeversorgung, peilen die Stadtwerke München „bis 2040“ an. Als wir die unten stehende Grafik veröffentlicht haben, schallte uns entgegen: Nicht aktuell! Doch die Zahlen stammen aus der letzten offiziellen Veröffentlichung hierzu (Stadtrat 13.12.2022): Demnach erreichen die Stadtwerke München bis 2035 eine Dekarbonisierung der Fernwärme von maximal 56% – weitere konkrete Planungen gibt es nicht. Und: Auch im kommenden Stadtratsbeschluss 19.04.2024 stehen keine konkreten Ziel-Zahlen, sind keine neuen Geothermie-Standorte innerhalb oder außerhalb Münchens dargestellt, keine Wärme-Pipelines usw.

Zeitachse zum aktuellen und geplanten Umbau der Münchner Fernwärme von Kohle und Erdgas auf Geothermie bis 2035 – und der Planungslücke von 44,3%, die zwischen dem Ist- und dem Planungs-Stand vs. dem Soll-Stand noch fehlen.
© Graphik: Fossil Free München, German Zero München. Stand: 01.03.2023. Quelle: Stadtrat LHM

Dabei sind die Vorgaben des Bundes-Gesetzgebers im Wärmeplanungs-Gesetz doch eindeutig: Ab 2030 mindestens 30%, ab 2040 mindestens 80% Erneuerbare Energien in Wärmenetzen – und davon ist das Fernwärmeverbundnetz Münchens noch weit entfernt!!! Das kann zu ganz erheblichen juristischen Schwierigkeiten führen: Wer als Gebäudeeigentümer:in am Fernwärmenetz angeschlossen ist, hat einen Rechtsanspruch hierauf.

Wie weiter im Stadtrat?

Immerhin: Am 16.04.2024 wird – so die bisherige Vorlage – beschlossen, dass der Stadtrat „der Ausrichtung der Strategie der SWM im Sinne des Transformationsplans zum Ausbau und zur Dekarbonisierung der Fernwärme“ bis 2040 zustimmt. Ungünstig nur, dass dieser Transformationsplan, mit „seinen Fernwärmeverdichtungs- und Fernwärmeerweiterungsgebieten“, den „daraus entstehenden Anpassungsbedarfen an den bestehenden Strom- und Erdgasversorgungsnetzen“, den Einzelprojekten und -maßnahmen, „die Transformation des gesamten Wärmesystems erfolgreich und zeitgerecht umzusetzen“ … gar nicht bekannt ist. Denn diese – nach eigenen Angaben – seitens der SWM in 2023 erarbeitete umfassende Maßnahmenplanung ist weder veröffentlicht, noch im Stadtrat vorgestellt und beschlossen. Alle Zitate stammen aus der (noch nicht veröffentlichten) Beschlussvorlage für 16.04.2024 (die Hervorhebungen entstammen dem Verfasser).

Warum in München die Umsetzung von Maßnahmen seit Jahren den klimapolitischen Notwendigkeiten und diesbezüglichen Stadtratsbeschlüssen stets hinterherhinkt, ist nicht nur den kommunalpolitisch und Klima-Engagierten aus der Zivilgesellschaft durchaus bekannt. Durch die Stadtrats-Beschlussvorlage zur Fernwärme zum 16.04.2024 wird sie nun auch für Außenstehende deutlich(er):

So hat – als Beispiel – der Stadtrat vor drei Jahren im Grundsatzbeschluss II zur „Klimaneutralität 2035“ durchaus „mutig“ über 250 Einzelmaßnahmen zu Klimaschutz und -anpassung beschlossen – nur nicht, wer, was, wie, mit welchem Geld, bis wann… zu machen hat. Schon vielfach wurde ein stringentes CO2-Controlling und ein die gesamte Stadtverwaltung umfassendes Klima-Projektmanagement angemahnt – doch dazu kam es angesichts der Zuständigkeiten der einzelnen Stadtverwaltungsreferate für Bauen, Stadtplanung, öffentliche Flächen, Verkehr… nie.

Auch die Gründung eines eigenständigen Referats für Klima- und Umweltschutz (RKU, ohne jegliche fachliche oder Weisungs-Kompetenzen) hat die Strukturen nicht geändert. Ja, kann denn da nicht der Oberbürgermeister eingreifen und die Stadtverwaltung „zugunsten des Klimas“ anweisen und umorganisieren? Nein, kann er nicht, die Bayerische Gemeindeordnung (und die Interessen der „Königreiche“) stehen dagegen. Jetzt also soll per Stadtratsbeschluss 16.04.2024 für die Beschleunigung der Dekarbonisierung der Fernwärme (erstmals!) ein „Steuerungskreis Wärmewende“ unter Leitung des Oberbürgermeisters mit einer eigener „Taskforce“ unter Federführung des RKU eingerichtet werden – das erzeugt Reibungs-Wärme!

Stadtrat macht Vorgaben an SWM – oder SWM bittet Stadtrat?

Auf Anraten der SWM soll der Stadtrat beschließen: „Die Referate werden gebeten, Maßnahmen zur Beschleunigung von (stadtinternen, Anmerkung des Verfassers) Genehmigungsverfahren zu ergreifen … und einmal jährlich dem Steuerungskreis zu berichten. … Die Referate werden gebeten, Maßnahmen zur Beschleunigung und Vereinfachung bei Infrastrukturbautätigkeiten zu prüfen und bestmöglich zu unterstützen“. „Die Referate der LHM werden gebeten, den Vorhaben des Transformationsplans Fernwärme entsprechende Priorität bei Planungen und Entscheidungen einzuräumen. Dies soll insbesondere auch die Bedarfe an Flächen …umfassen“.

Aha, der Stadtrat der Landeshautstadt München muss also per förmlichem Beschluss darum bitten, dass die Stadtverwaltung untereinander besser kooperiert und (zumindest bei der Wärmewende) engstirnige Kompetenz-Gerangel und Eigen-Prioritäten hintanstellt. Es ist ja völlig einsichtig, dass Flächenansprüche für eine neue Geothermieanlage in der Innenstadt zu Konflikten mit Wohnungsbau, öffentlichem Straßenraum und auch Stadtbegrünung führen. Wer will schon ein neues Kraftwerk neben seinem Grundstück hingestellt bekommen. Doch diese Konflikte um baurechtlich auszuweisende Flächen und konkrete Grundstücke – Schulneubau versus Geothermie (!) – wurden in der Vergangenheit meist nicht „zugunsten des Klimas“ gelöst.

Stadtentwicklungsplan versus Ausbaupriorisierung

Ein Blick in den Stadtentwicklungsplan STEP 2040 zeigt: Nur zwei durch die Stadtstruktur bebauungsoffen gehaltene Süd-Nord-Kälte-Luftschneisen zwecks nächtlicher Abkühlung der „Hitzeinsel“ München bleiben erhalten. Keine neuen Infrastruktur-Standorte etwa für Geothermieanlagen und keine zusätzlichen Trassen für Fern- oder Nahwärme sind ausgewiesen. Auch findet kaum eine flächenmäßige Ausweitung bestehender Fernwärmenetze statt und auch ist keine Geothermie-Wärmeversorgung in neuen Stadtgebieten, wie etwa im Stadtentwicklungsgebiet im Nordosten Münchens (SEM NO), geplant. Von über 50% Fernwärme-Netzausbau durch die Stadtwerke hat der Planungsbereich für Stadtentwicklung PLAN wenig übernommen. Bislang hörte man auf den Fluren etwa die Bewertungen „diese Überheblichen von den Stadtwerken!“ und umgekehrt „ach die Sesselp… aus der Verwaltung“… Jetzt heißt es in der Vorlage für 16.04.2024: „Hierzu stehen die SWM in konstruktivem Austausch mit der LHM“ – das lässt fast vergessen, dass die SWM 100%-ige Tochtergesellschaft der Stadt ist.

Dass die o.g. „Bitte“ des Stadtrats – oder ist es eine Prioritätenentscheidung? – Reibungswärme erzeugen wird, zeigt schon jetzt die Stellungnahme des Planungsreferats PLAN zur Fernwärme-Vorlage 16.04.2024: „Das PLAN kann dem Vorschlag im Antrag, bei Flächenkonflikten solle dem Ausbau der Geothermie in Zukunft Vorrang gegeben werden, nur teilweise nachkommen. Die kommunale Versorgungsaufgabe beinhaltet die Bereitstellung vielfältiger (sozialer) Infrastrukturen, welche nicht aufgrund der Wärmewende vernachlässigt werden dürfen. … [So] kann die Abwägung im Einzelfall zu dem Ergebnis kommen, dass ein Standort nicht für die Tiefen-Geothermie zur Verfügung gestellt werden kann. … Genehmigungsprozesse können nur im Rahmen der rechtlichen Vorgaben und personellen Ressourcen beschleunigt werden“. Wer Verwaltungsdeutsch lesen kann, weiß, was solcherart Stellungnahme einer anderen Behörden-Einheit bedeutet: „Königreich PLAN“ sagt NEIN zur Priorisierung „Klimaschutz und Klimaanpassung“.

Hürden auf dem Weg: Finanzierung …

Aber es gibt auch weitere erschwerende „Nebenbedingungen“ zu einer zügigen Umsetzung der Fernwärme-Dekarbonisierung: „Neben der Unterstützung durch die Landeshauptstadt München sind weitere Voraussetzungen zu nennen: Zuerst ist eine ausreichende Förderung vor allem über die ‚Bundesförderung Effiziente Wärmenetze‘ (BEW) wichtig, ohne die der Transformationsplan nicht wie vorgesehen umgesetzt werden kann“. War in früheren Vorlagen von Gesamtkosten für die Geothermie-Strategie von 3,8 bis 4,4 Mrd. Euro die Rede, rechnen die SWM für die investiven Maßnahmen inflationiert nun mit Gesamtinvestitionen von 9,5 Md. Euro bis 2045. Das werden die Stadtwerke alleine definitiv nicht stemmen können.

Mit nennenswerten Querfinanzierungen aus dem städtischen Haushalt ist nicht zu rechnen. Der Freistaat Bayern hält sich mit Fördermitteln zugunsten von kommunalen oder privatwirtschaftlichen Geothermie- bzw. Wärmenetzen bislang trotz anders gerichteter Landes-Initiativen bemerkenswert zurück. Und die bisherigen potenziellen (wegen der Schuldenbremse aktuell auf Eis gelegten) Fördermittel für Geotherme-/Wärmenetze aus dem Bundeshaushalt betragen – für alle Projekte in ganz Deutschland zusammen – bislang 3 Mrd. Euro. Würden die Bundes-Fördermittel freigegeben und deutlichst erhöht, so könnte der Förderbetrag zugunsten der SWM angesichts förderfähiger Kosten in Höhe von 8,4 Mrd. Euro bei ca. 3 Mrd. Euro liegen, also bei 30%. „…erhebliches finanzielles Risiko, da nicht davon auszugehen ist, dass die SWM die angesetzten Kosten vollumfänglich gefördert bekommen“. Insoweit ist die Finanzierung der SWM-Geothermie-Strategie schlicht nicht geklärt und auch nicht erkennbar, wie sie anderweitig finanziert werden könnte – alle Münchner Augen blicken in die Sterne über Berlin: „…bleibt abzuwarten, ob die Bundesförderung effiziente Wärmenetze künftig adäquat ausgestattet wird“.

Doch nicht alle blicken nach Berlin: Unsere Bürger-Initiative „Mehr Geld für’s Klima“ hatte ja unter anderem vorgeschlagen, dass Münchner Klima-Projekte angesichts einer Finanzierungsrate von 4,9% für Klima in der mittelfristigen Finanzplanung auch mittels Bürger*innen-Beteiligung mit-finanziert werden könnten und (zwecks Identifizierung mit „ihren“ Projekten) sollten: Mittels „Green-Bonds“ etwa für die Geothermie-Strategie könnten die Stadtwerke München als eigenständige GmbH verzinste „Klima-Anleihen“ ausgeben und so die Geothermie-Strategie teilweise mit-finanzieren. Doch der Stadtkämmerer lehnte diese Variante in unseren Gesprächen mit ihm, zuletzt im Sommer 2023, ab, weil diese zu höherer Verschuldung des Stadthaushalts führen könnte. Das ist sachlich schlicht unrichtig – Umschichtungen zugunsten „mehr Geld für’s Klima“ wollte er jedoch auch nicht. Die Finanzierung der Dekarbonisierung der Fernwärme ist also völlig offen.

… und Personalmangel …

Ein weiteres großes Hindernis im Transformationsplan Fernwärme wird in der Stadtratsvorlage auch benannt: Personalmangel, in allen Bereichen der Stadtverwaltung, auf allen Ebenen, „bis zu rund 500 [Vollzeitangestellte] bis 2028“ allein bei den SWM: Hier „spielen die erfolgreiche Rekrutierung und Qualifizierung entsprechender Fachkräfte (gemeint ist bei den Stadtwerken, aber auch in der planenden Stadtverwaltung, Anmerkung des Verfassers) eine entscheidende Rolle. Außerdem ist die Umsetzung u.a. abhängig von der Möglichkeit, ausreichend externe Kapazitäten für Planungs- und Bauleistungen … akquirieren zu können“.

Ein Beispiel aus der Praxis: Seit Jahren sind die technischen und Know-how-Kapazitäten von Firmen im Wettbewerb mehr als beengt, die in der Lage wären, die durchaus anspruchsvollen Bohrleistungen für Geothermie-Dubletten bis 3 km Tiefe störungsfrei auszuführen. [Anmerkung: Eine Dublette ist eine Förderbohrung zur Heißwasser-Entnahme und gleichzeitige Injektionsbohrung zur Rückführung des abgekühlten, chemisch unveränderten Thermalwassers.] Schon vor Jahren hatten wir angesichts der Langfristigkeit der Geothermie-Projekte den SWM empfohlen, eigenes Groß-Bohrgerät zu beschaffen und Bedienungspersonal dafür auszubilden, leider vergebens. Dafür, dass bei der Genehmigungsbehörde für solcherart Projekte bei der Regierung von Oberbayern nur ein Mitarbeiter beschäftigt ist, kann die Stadt ausnahmsweise mal nichts….

… und der Sanierungsbedarf

Nochmals zur Erinnerung: In München werden aktuell etwa 290.000 Gebäudeheizungen mit Kohle, Öl oder Erdgas befeuert, ein Drittel aller Gebäude hängt am Erdgas-Netz der Stadtwerke. Diese sollen gemäß Stadtrat bis 2035, gemäß Bundesregierung bis 2045, gemäß Europäischer Gesetzeslage bis 2055 klimaneutral sein. Also müssten pro Jahr 15.000 bis 20.000 fossil befeuerte Einzelheizungen durch (mit mindestens 65%) erneuerbare-Energien-betriebene Heizungen ersetzt werden! Und das „ab gestern“ – denn ab „übermorgen“ führt zu noch höheren Abarbeitungsbergen! Dazu die Prognose in der Stadtratsvorlage 16.04.2024: „Mit dem Erfolg der Wärmewende geht ein sukzessiver Rückgang des Absatzes (der Stadtwerke, AdV) an Erdgas und der aktiven Erdgasanschlüsse einher. … Die Kosten des Gasnetzes werden schrittweise auf immer weniger Nutzer*innen verteilt werden und damit… zu einem Anstieg der spezifischen Nutzungsentgelte führen“. Das ist deutlich. Aber, auch nach Rückfragen: Ein Rückbau des Erdgas-Verteilnetzes in München durch die Stadtwerke zugunsten des Klimaschutzes ist nicht vorgesehen.

Auch noch wichtig: echte Partizipation der Bevölkerung

Ach, übrigens: Die Bürger:innen sollten schon auch „mitgenommen“ werden, denn für sie hat das Alles ganz erhebliche Konsequenzen und nicht nur, aber auch finanzielle Auswirkungen. „Die Schaffung von Akzeptanz und die Begrenzung von Widerständen bei den Bürger*innen ist für die fristgerechte Umsetzung von Bauvorhaben und die Realisieung der ambitionierten Ziele der Wärmewende wichtig. Städtische Kommunikationskampagnen, Ermöglichung von Bürgerbeteiligung durch Einbindung bzw. Information der Bevölkerung und Öffentlichkeitsarbeit der LHM können „Bürgerinitiativen“ gegen Maßnahmen der Wärmewende entgegenwirken“, heißt es in der Vorlage. So ist es beispielsweise bei Baumaßnahmen für neue Geothermieanlagen oder -trassen, bei Umbauarbeiten am Dampfnetz Innenstadt, beim Rückbau fossiler Heizanlagen und so weiter. Auch hier dürfen wir gespannt sein, was der Stadtrat diesbezüglich zustande bringt. Nach Umfragen kennen jedenfalls nur wenige Münchner*innen die bisherige Öffentlichkeitskampagne des RKU „Re:think“.

Eines ist klar: Mit „Wärmeplanung München“ und „Dekarbonisierung Fernwärme“ werden wir Münchner*innen und wir, die fachkundigen Klima-Engagierten, die nächsten Jahrzehnte gut beschäftigt sein. Wir vom Netzwerk Saubere Energie München bleiben jedenfalls stets „am Ball“, versprochen!

Anmerkung: Alle Zitate stammen aus der noch nicht veröffentlichten Stadtrats-Sitzungsvorlage 20-26/V „Dekarbonisierung der Fernwärmeversorgung in München“ für den 16.04.2024. Ab diesem Datum kann diese Vorlage auch öffentlich geladen werden im Rathaus-Informationssystem RIS, am leichtesten unter Angabe von Titel, Datum und Nummer.
Zu diesen Themen werden seitens des Vereins „Saubere Energien München e.V.“ und Protect the Planet öffentliche Vortragsveranstaltungen und Exkursionen angeboten, so am 18.04.2024 zur Fernwärme, am 30.04. zur Münchner Wärmeplanung sowie am 01.06. eine (Fahrrad-) Exkursion mit Besichtigung einer Geothermieanlage. Die Veranstaltungen werden mitgeschnitten und können dort hinterher auch heruntergeladen werden.