Die kurze Antwort lautet: Nein. Sicher ein Teil der Lösung, aber nicht so, wie das die Bundesregierung zurzeit vorhat: Eine neue Studie zeigt, dass wir bis 2030 nicht so viel Wasserstoff zur Verfügung haben werden, wie die Politik einplant. Warum das problematisch ist und inwieweit es den Ausstieg aus fossilen Energien gefährdet, erklären wir hier.
Neue Studie: „Bundesregierung verschätzt sich bei [Wasserstoff-] Importen bis 2030“
Wasserstoff wird als einer der großen Heilsbringer für die Energiewende gehandelt. Er ist erneuerbar, kann aus Sauerstoff und Wasser hergestellt werden („Elektrolyse“), Energie speichern, und als Abgas bleibt nur Wasserdampf. Damit Wasserstoff klimaneutral, wirklich „grün“ ist, muss der Strom zur Wasserstofferzeugung natürlich ebenfalls grün, also 100 % erneuerbar sein.
Eine neue Studie aus diesem November macht nun jedoch deutlich: Bei der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung hat man sich gewaltig verschätzt, so die Erkenntnisse der Untersuchung, die mehrere Forschungseinrichtungen zusammen angestellt hatten (namentlich das Institut der deutschen Wirtschaft, Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik und Wuppertal Institut). Wir können nicht sicher sein, dass Deutschland in näherer Zukunft genug erneuerbare Energie für die Erzeugung von ausreichend Wasserstoff wird produzieren können. Es entsteht eine Versorgungslücke:
„Zwar sollen laut Nationaler Wasserstoffstrategie der Bundesregierung im Jahr 2030 hierzulande insgesamt 14 TWh grüner Wasserstoff erzeugt werden, zur Deckung des prognostizierten Wasserstoffbedarfs von 90 bis 110 TWh wird dies allerdings bei weitem nicht ausreichen. Es droht eine Versorgungslücke von grünem Wasserstoff in Höhe von 75 bis 96 Twh.“
Um diese Lücke zu schließen, werden wir Wasserstoffimporte brauchen, da sind sich alle Expert*innen einig. Diese können z.B. aus sonnenreichen Regionen wie Nordafrika oder Spanien stammen. Aber: Selbst die Importe werden für die Pläne der Nationalen Wasserstoffstrategie nicht ausreichen. Unsere Versorgungslücke könnten wir damit nicht mal dann schließen, wenn alle infrage kommenden Länder ihre Wasserstoffexporte ausschließlich zu uns liefern würden.
Ganz kurz kann man die Studie zusammenfassen: Wasserstoff wird auf absehbare Zeit ein viel zu knapper Rohstoff bleiben.
Welche Folgen hat das konkret? – Wasserstoff im neuen Koalitionsvertrag
Im neuen Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist nun festgelegt, dass Erdgaskraftwerke weiter betrieben und sogar neu gebaut werden sollen, wenn sie alle Bedingungen erfüllen, um mit Wasserkraft laufen zu können (s. Koalitionsvertrag der „Ampel“-Parteien von November 2021, S. 59, z.B. hier als PDF-Download von www.spd.de). Betrachtet man diesen Plan nun mit den Erkenntnissen der obigen Studie im Kopf, so bleibt die Erkenntnis: Die Ampel-Regierung plant in naher Zukunft keinen Ausstieg aus dem Erdgas.
- Solange nicht genügend Wasserstoff verfügbar sein wird, wie die Studie nahelegt, werden die Gaskraftwerke noch über einen langen Zeitraum weiter mit Erdgas betrieben werden müssen.
- Weitere Investitionen in neue fossile Infrastruktur bedeuten einen finanziellen Lock-In-Effekt: Neue Kraftwerke, Pipelines und Co. müssen einen langen Zeitraum betrieben werden, bevor sie sich rentieren.
- Außerdem ist das Gasnetz nicht für Beimischungen von mehr als 5% Wasserstoff ausgelegt und rechtlich zugelassen. Ein Betrieb mit 100% Wasserstoff ließe sich nur mit aufwändigen Alternativen realisieren, dafür fehlen bislang Planungen und Investoren.
Im Koalitionsvertrag steht sogar wörtlich: „Erdgas ist für eine Übergangszeit unverzichtbar.“ Gegen Erdgas als Brückentechnologie und vermeintlich klimafreundlichere Alternative zu z.B. Kohle sprechen aber wichtige Punkte, die in der öffentlichen Debatte oft fehlen. Bezieht man nicht nur die Verbrennung des Gases, sondern auch Förderung und Transport mit ein, dann ist im Endeffekt Erdgas genauso klimaschädlich wie Kohle. (Ausführlich erklären wir das hier).
Fazit
Aus der oben zitierten Studie wurden einige Handlungsempfehlungen abgeleitet, wie der Wasserstoffknappheit in Deutschland entgegengewirkt werden kann. Selbst wenn all das funktioniert: Wir brauchen Wasserstoff als klimaneutrale Energie an anderen Stellen, z.B. für Verkehr (Wasserstoffautos) – jetzt in Gaskraftwerke zu investieren, in der Hoffnung, dass der eh schon knappe und teure Wasserstoff dann auch für Strom- und Wärmeversorgung verwendet werden kann, bedeutet eine Verschleppung der Klimakrise und ist für uns nicht akzeptabel! Erdgas zur Energieerzeugung können wir uns klimatechnisch nicht leisten. Wir lehnen Erdgas als Brückentechnologie entschieden ab!