Netzwerk Saubere Energie München

Ein großer Erfolg: für uns und für’s Klima. SWM verkaufen Teile ihres Erdöl- und Erdgasgeschäfts!

Die SWM und der britische Konzern Centrica, die gemeinsam die Anteile an dem Erdöl- und Erdgas-Unternehmen Spirit Energy halten, verkaufen einen großen Teil ihrer Anlagen an die norwegischen Firmen Sval Energi und Equinor. Namentlich werden die norwegischen Gas- und Ölfelder (inkl. der Lizenzen in der Arktis) und ein britisches Förderfeld veräußert. Diese Meldung von letztem Mittwoch hat bei uns erst mal für Jubel gesorgt – oder besser: für ein Aufatmen.

Die Forderung Exit Spirit Energy gehört zur DNA unseres Netzwerks: Mit zahlreichen Aktionen und einer Petition hat die Münchner Zivilgesellschaft, allen voran Fossil Free und wir, das Netzwerk Saubere Energie München, jahrelang die SWM aufgefordert, aus dem klimaschädlichen Öl- und Gasgeschäft durch ihre Beteiligung an ihrem Unternehmen Spirit Energy auszusteigen. Die ersten Anträge hierzu hat die Zivilgesellschaft schon 2017 in der Energiekommission gestellt – damals noch unter erheblichem Widerstand der SWM.

Die SWM scheinen nun aber endlich auf unsere Forderungen zu hören – ein wichtiger Schritt ist geschafft. 92 Prozent der Ölproduktion und 38 Prozent der Gasreserven haben SWM und Centrica nun verkauft, so schreibt die Süddeutsche Zeitung am 08.12.2021.

ABER:

Wir wären nicht das Netzwerk Saubere Energie München, wenn nicht noch ein großes dickes „Aber“ folgen würde. Einige Punkte dämpfen unsere Euphorie maßgeblich:

Die SWM steigen nicht vollständig aus der Förderung fossiler Energien aus

Klingt jetzt nach Erbsenzählerei – ist es aber nicht: Ein Großteil des Gasgeschäfts bei Spirit Energy (und nicht nur da) bleibt den SWM auch nach dem Großverkauf erhalten. Die SWM schreiben selbst, dass Spirit Energy das v.a. Erdgas-fokussierte Geschäft in britischem und niederländischem Gebiet weiterführen soll, mit der „sicheren und wirtschaftlichen Förderung der bestehenden Gasreserven“. Sogar neue Gasfelder sollen erschlossen werden – und das, obwohl mittlerweile doch hinreichend bekannt ist, dass wir 80% aller fossilen Rohstoffe aus bereits bekannten Lagerstätten im Boden lassen müssen, um auch nur das +2 Grad-Ziel nicht zu sprengen. Paradoxerweise bezeichnen die SWM dieses Erdgas-Weiter-so als Ausrichtung auf die „Anforderungen der Energiewende“.

Wir werden nicht müde zu betonen: Auch Erdgas ist ein fossiler Brennstoff, der extrem klimaschädlich ist – auch wenn es immer wieder als „Brückentechnologie“ und (fälschlicherweise!) als CO2-ärmer als Steinkohle gelobpreist wird: Werden direkte Methan-Emissionen bei Förderung, Transport und Nutzung einbezogen, hat Erdgasverbrennung über die nächsten 20 Jahre dieselbe Klimawirkung wie Kohle. Wer das verschweigt und Erdgas als klimafreundliche Alternative darstellt, betreibt nichts anderes als Greenwashing.

CCS und blauer Wasserstoff…?

Die SWM versprechen auch: Es werde geprüft, ob man mit den vorhandenen Öl- und Gasanlagen in der Nordsee in die Erzeugung von sog. blauem Wasserstoff mit anschließender Einlagerung von CO2 („Carbon Capture and Storage“, CCS) einsteigen könne.

Info-Box: Eine kleine „Farbenlehre“ des Wasserstoffs liefert u.a. übersichtlich das Bundesministerium für Bildung und Forschung hier (10.06.2020).

Wasserstoff? Klingt erst mal sehr klimafreundlich – kann er grundsätzlich auch sein (mit den Schwierigkeiten von Wasserstoff als grünem Energieträger haben wir uns hier beschäftigt). Allerdings ist Wasserstoff nicht gleich Wasserstoff: Bei der Erzeugung von „blauem“ Wasserstoff wird fossiles Erdgas aus der Erde gefördert und aufgespalten in Wasserstoff (H2) und CO2 („Carbon“). Das CO2 wird dann nicht in die Atmosphäre geleitet, sondern abgeschieden („Capture“) und unterirdisch z.B. in Kavernen oder unter geeigneten Gesteinsschichten gespeichert („Storage“). So kann es in der Atmosphäre nicht klimawirksam werden und ist quasi aufgeräumt – so die Theorie.

Allerdings wird aus mehreren Gründen und von vielen Seiten eindringlich von der CCS-Technologie abgeraten, u.a. durch das das Umweltbundesamt (UBA) und den Sachverständigenrat für Globale Umweltveränderungen (SRU) bei der Bundesregierung:

  • Die Spaltung des Erdgases, der Transport des CO2 und seine Speicherung verbrauchen selbst enorme Energiemengen: „Der Einsatz der CCS-Technik erhöht den Verbrauch der begrenzt verfügbaren fossilen Rohstoffe um bis zu 40 Prozent“, so das UBA. Polemisch nachgefragt: Wir wollen also noch mehr fossile Rohstoffe verbrauchen, um das CO2 aus dessen Verbrennung anschließend speichern zu können??
  • Dazu kommen andere Gefahren bei CCS, z.B. durch Leckagen von CO2, die Böden und Grundwasser gefährden und ggf. auch wieder klimawirksam in die Atmosphäre gelangen könnten.
  • Wissenschaftlich ist übrigens nicht geklärt, ob mit CCS wirklich so viel CO2 gespeichert werden könnte wie geplant und wie es erforderlich sein wird, wenn wir nicht schnellstens CO2-Emissionen reduzieren.
  • U.a. bestehen Kapazitätsprobleme: In Deutschland und anderen europäischen Ländern kann die Einlagerung wegen der Entweichungs- und Explosionsgefahren nicht genehmigt werden; und selbst in Norwegen und Island, die sich als Vorreiter auf diesem Gebiet positionieren wollen, sind die Kapazitäten winzig im Vergleich zur notwendigen Menge.

Auch das Deutsche Klima-Konsortium kommen wie viele wissenschaftliche Institute zu ähnlichen Einschätzung wie UBA und SRU, und auch für uns steht fest: Blauer Wasserstoff mit CCS ist keine klimafreundliche Option für die Energiewende!

Das Finanzielle

Die Stadtwerke betonen in ihrer Pressemitteilung, dass sie die Anteile „zu einem günstigen Zeitpunkt“ verkaufen konnten. Gemeint ist: Für verhältnismäßig viel Geld. Noch kürzlich fiel es schwer, für die Öl- und Gasfelder überhaupt irgendwelche Käufer zu finden – möglicherweise haben die derzeit immens hohen Energiepreise den Verkaufsvorgang beschleunigt. Die SZ berichtet, dass für den Verkauf 300 Mio. Euro an die SWM gehen werden, eventuell sogar noch mehr.

Natürlich sind auch wir froh, dass möglichst viel Münchner Steuergeld „gerettet“ werden konnte durch den Verkauf. Man darf aber nicht vergessen, dass die Stadtwerke ursprünglich über 2 Mrd. Euro investiert hatten (SZ) – und die Beteiligung an Spirit Energy in den letzten Jahren massive Verluste eingefahren hat, die auch ein Verkauf in dreistelliger Millionenhöhe nicht wettmachen kann; zudem haben die SWM noch „Rückbaukosten“ der verbleibenden Förderanlagen in geschätzter Höhe von einigen Milliarden Euro vor der Brust.

Wir erinnern zu diesem Anlass: Die SWM sind eine 100%ige Tochtergesellschaft der Stadt München – SWM-Geld ist also letztendlich Münchner Steuergeld.

Unser Fazit:

Wir gönnen uns den Moment der Freude – der großteilige Ausstieg aus dem Öl- und Gasgeschäft ist ein erster großer Triumph, den wir, ganz unbescheiden, maßgeblich auf das Engagement der engagierten Gruppen der Münchner Zivilgesellschaft zurückführen. Noch 2017 hatte keine der Parteien im Münchner Rathaus auch nur mit einem Finger gezuckt; jetzt – nach vielen Demos und Aktionen u.a. von Fridays for Future, Extinction Rebellion, Fossil Free und der Bürgerinitiative Raus aus der Steinkohle – haben sie mehrere Ausstiegsanträge gestellt. 

Es bleibt aber auch das Bewusstsein: Wir können uns noch nicht auf die faule Haut legen, wir bleiben dran! Noch ist ja auch die Prüfung nicht abgeschlossen, ob die Zivilgesellschaft die Stadtwerke München nicht ebenfalls verklagen wird, damit sie aus jeglichen Geschäften mit Erdgas-Förderung aussteigen – in Anlehnung an das erfolgreiche niederländische Urteil gegen den SHELL-Konzern.

Exit Spirit Energy muss heißen: Raus aus allen fossilen Brennstoffen! Hier Petition unterzeichnen!