Netzwerk Saubere Energie München

Bild des Heizkraftwerkes (HKW) Nord der Stadtwerke München (SWM)

Erdgas-Umbau des Kohleblock 2 HKW Nord braucht Einschränkungen

Die Stadtregierungskoalition plant, am 20.6. einen Umbau des Block 2 Kohlekraftwerk Nord in uneingeschränkten Erdgasbetrieb im Sommer 2024 zu beschließen. Ein Umbau der Kohleverbrennung im Block 2, HKW Nord, in einen „dauerhaften Erdgasbetrieb“ kann – abhängig von Fahrweise und Betriebslaufzeit – zu erheblich höheren Treibhausgasemissionen führen als eine baldige Beendigung der Kohleverbrennung. Eine Stadtratsentscheidung zur Treibhausgas-Reduzierung bei Erdgasbetrieb steht bislang aus. Wir möchten daher zum wiederholten Male einen Blick auf die Probleme um den geplanten Umbau werfen.

Stark erhöhte Gesamt-CO2 Emissionen durch Laufzeitverlängerung

Die fehlende Last- und/oder konkrete Betriebslaufzeitbegrenzung im geplanten Beschluss ist ein großes Problem für das Klima, weil er zu in Summe höheren Emissionen führen kann als ein kurzzeitiger Weiterbetrieb des Kohleblocks. Dabei gilt für den Vergleich der Verbrennung von Erdgas zur Verbrennung von Steinkohle (also ohne Berücksichtigung der erheblichen Methan-Emissionen bei Förderung und Transport von Gas) die grobe Faustformel: „CO2-Emissionen Erdgas = 2/3 von Kohle“: Wenn das Kohlekraftwerk ohne Umbau 2028 abgestellt würde, würde bei Umbau das Gaskraftwerk bei selbem Betrieb bis 2030 in Summe die selbe Menge Emissionen verusachen und danach in Summe mehr Emissionen. Dies lässt sich verhindern, indem man für das umgebaute Gaskraftwerk eine Lastbegrenzung beschließt.

Denkbar wäre, die Restbetriebslaufzeit an das Ende der „Systemrelevanz“ zu koppeln: Aufgrund des Bescheids der Bundesnetzagentur ist der Block 2 (Kohle oder Gas) systemrelevant für die Stabilität des überregionalen Stromnetzes (nicht relevant für die Stromversorgung Münchens), muss jederzeit einsatzfähig sein und darf deshalb – auf Grundlage Energiewirtschaftsgesetz – nicht stillgelegt werden; doch dieser Bescheid ist befristet bis Ende 2024. Erwartet wird jedoch eine Verlängerung der „Systemrelevanz“ bis Fertigstellung des SuedOstLink, der großen Strom-Übertragungsleitung aus Norddeutschland bis Bayern, die nach neuesten Informationen bereits 2027 fertig gebaut sein wird [1].

Hinsichtlich einer Lastbegrenzung wäre eine Kopplung an die derzeitige 42%-ige Teillast-Fahrweise der Steinkohleverbrennung zwar möglich, aber unsinnig; denn diese ist Steinkohle-verbrennungstechnisch begründet (die entsprechenden Forderungen aus dem politischen Raum entstammen dieser Unkenntnis): Diese technischen Einschränkungen gibt es im Erdgasbetrieb – so der TÜV – nicht. Also kann der künftige „dauerhafte Erdgasbetrieb“ ausschließlich bedarfsorientiert für München gefahren werden: Also als vermutlich nicht genutzte Notfallreserve für das Fernwärmenetz – eine Stromreserve für München wird nicht benötigt, eine Wärmereserve nur im Extremfall, dass bei einem sehr kalten Winter Kraftwerk Süd länger ausfällt.

Pläne nicht wirtschaftlich

Faktisch wird der sog. „dauerhafte Erdgasbetrieb“ ohne Lastbegrenzung alles andere als dauerhaft (also 100% Last) sein: Denn die Fahrweise des Block 2 wird künftig ganz stark vom (bundesweiten) merit-order-Strompreis-Prinzip abhängig sein. Nach diesem Prinzip werden Kraftwerke – entlang ihrer möglichst geringen Kostenbelastung – bundesweit (stundenweise) zugeschaltet, bis der jeweilig aktuelle Gesamt-Strombedarf gedeckt ist; also erst PV- und Windkraftanlagen, dann Braunkohle-, später Steinkohle- und – aufgrund des hohen Erdgas-Preises – zuletzt die teuren Gas-Kraftwerke (die, wenn sie nach merit-order nicht gebraucht werden, nicht Strom einspeisen dürfen).

Deshalb befürchten die Stadtwerke München nach hiesiger Kenntnis, dass sie nach dem Umbau von Steinkohle auf Erdgas den Block 2 in hoch unwirtschaftlichem Betrieb (Fahrweise nur auf befristeten Abruf) fahren müssen; weshalb sie einer Laufzeitbegrenzung nicht entgegenstehen, aber sie abhängig machen von der Wärme-Absicherung = Neuinstallation der (bestellten, aber liefer-überfälligen) Turbine GuD2 HKW Süd.

Stand-by-Betrieb gute Lösung

Gänzlich anders – und deutlich klimafreundlicher – sähe die Situation aus, wenn nach Umbau auf Erdgas-Betriebsfähigkeit der Erdgasblock 2 statt im merit-order nun befristet auf (Warm- oder Kalt-) Stand-by-Betrieb gehalten und so – unter Einhaltung der juristischen Voraussetzungen aus der „Systemrelevanz“ für das überregionale Stromnetz – faktisch nicht oder nur wenige Tage pro Jahr gefahren würde. Denn im Gegensatz zur mehrere Tage erfordernden Aufheiz-/Anfahrzeit bei Kohle ist bei Gas-Betrieb der Kessel im „Systemrelevanz“-Netz-Notfall binnen weniger Stunden so aufgeheizt, dass der Block 2 Strom ins überregionale Stromnetz speisen kann.

Insoweit ist es aus Sicht der SWM naheliegend, dass ein Warm-Stand-by nicht nur technisch und rechtlich möglich ist, sondern, dass – weil nach Energiewirtschaftsgesetz die Stillstandskosten nicht von Kunden direkt, sondern (zunächst) vom Netzbetreiber zu bezahlen sind – ggf auch deutlich wirtschaftlicher wäre als ein merit-order-Erdgasbetrieb des Block 2. Weshalb sie zwar keinen Kalt-Stand-by, wohl aber Warm-Stand-by akzeptieren könnten.

Rechtliche Probleme

Schließlich ist unklar, ob der beabsichtigte Umbau von Steinkohle- auf Erdgasbetrieb überhaupt rechtlich zulässig ist, zumindest ohne eine vorlaufende rechtsgültige Änderungsgenehmigung durch die Genehmigungsbehörde (Regierung von Oberbayern): Der Gemeinde Unterföhring liegt (nach öffentlichen Aussagen des Bürgermeisters von Unterföhring im dortigen Bauausschuss vom 08.12.2022) ein Rechtsgutachten vor, nach dem ein Umbau von Kohle auf Gas nur zulässig ist, wenn er zum seinerzeitig genehmigten Zustand (Planfeststellungsbeschluss 1991) identisch ist – was nicht vorstellbar ist, weil ja für Erdgasfähigkeit die technische Änderungen erst noch erforderlich sind. Die Stadtwerke München haben an die Gemeinde geschrieben (29.09.2022 – im Bauausschuss öffentlich verlesen), dass der Umbau – abgestimmt mit der Genehmigungsbehörde – im Rahmen der seinerzeitigen Planfeststellungsbeschluss 1991 erfolgen werde; sie haben die dazu erforderlichen Unterlagen aber bislang nicht veröffentlicht. Die Unterlagen liegen der Genehmigungsbehörde ebenfalls nicht vor, weshalb sie die Rechtsfähigkeit eines Umbaus ohne vorheriger Änderungsgenehmigung nicht prüfen könne – so ein Schreiben der RegOBB vom 20.02.2023. Schon zur Vermeidung etwaiger Verzögerungen – durch Einspruch der Regierung von Oberbayern oder durch etwaige Klagen seitens der Gemeinde Unterföhring oder von Bürger:innen – ist es erforderlich, die Rechtslage frühzeitig eindeutig zu klären.

Es gibt einiges zu klären bevor der Stadtrat seinen Beschluss fassen kann. Die Stadtgesellschaft verdient Transparenz wie genau die Fahrweise und Laaufzeit des Erdgasblock geplant sind und ob er überhaupt rechtlich zulässig ist. Der Stadtrat sollte schon bei seiner Entscheidung im Juni klare Begrenzungen, in der Form eines Stand-By Betriebes, vorschreiben.

[1] https://www.sueddeutsche.de/bayern/stromtrasse-tennet-verlauf-suedostlink-1.5745958