Scheint doch ziemlich nahe bei einander zu liegen, ob die Menschen nun aus den fossilen Energien aussteigen oder nur deren CO2-Emissionen nicht mehr in die Atmosphäre lassen?! Ist es also ein Streit um des „Kaisers Bart“?
COP28 in Dubai/ Vereinigte Arabische Emirate: Bislang keine Einigung
Nein, ganz und gar nicht: Es geht um letzte Hoffnungen für die großen Fossil-Unternehmen und -Herkunftsländer einerseits oder eine abgemilderte Klimakrise für die gesamte Menschheit andererseits. Um nicht weniger als das geht es im Kern bei der Weltklimakonferenz COP28, wenn über „CCS“ gestritten wird: Ganz raus aus Kohle, Öl und Gas! Denn wer weiter fossile Energieträger verbrennen will, setzt auf das Einfangen und Speichern des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) (Carbon Capture and Storage, CCS) – wozu noch mehr (fossile) Energie benötigt würde.
Propagandistisch und Interessen-behaftet könnte also vereinfacht gesagt werden: Wenn wie gewohnt fossile Energien weiter verbrannt werden, muss niemand Zumutungen oder Nachteile erwarten. Es werden auch keine Heizungen heraus gerissen, wenn wir nur auf neue Technologien setzen: Dafür müssen nur die Klima-schädlichen Treibhausgasemissionen beim Verbrennungsprozess abgeschieden werden oder sie werden aus der Atmosphäre zurückgeholt und anschließend gänzlich umweltfreundlich in großen Tiefen der Erde dauerhaft verpresst – da kommen die fossilen Rohstoffe ursprünglich ja auch her. Super!
CO2-Verpressung im Boden – was genau ist das eigentlich?
Schauen wir uns die Fakten an: Das technische Herausfiltern von bereits in die Atmosphäre gepustetem CO2 ist bislang technisch praktisch kaum möglich und – bei einem Volumenanteil von 0,04 Prozent CO2 in der Luft – überaus teuer. Einfacher ist es, CO2 z.B. beim Prozess der Herstellung von Zement oder Stahl von den Energieträgern etc. abzuscheiden; beim Fahren eines Verbrenner-Autos geht das schon nicht mehr. Doch dazu wird ein Stoff gebraucht, der das CO2 erst aufnimmt und dann wieder abgeben kann, z.B. große Mengen sogenannter Aminlösung. Dazu sind aber Prozesstemperaturen von über 100 Grad Celsius erforderlich, also ein Vielfaches der ohnehin erforderlichen Energien. Es wird also deutlich mehr (fossile) Energie benötigt.
Doch wohin damit nach dem Abscheiden? Niemand will – ebenso wenig wie Atommüll – für die Ewigkeit verpresstes Kohlendioxid in deren Nähe haben. Denn schließlich können der Einbau oder auch das ungewollte Entweichen erhebliche Umwelt- und Klimaschäden bewirken. Nicht ohne Grund ist (nicht nur) in Deutschland die unterirdische Verpressung von CO2 (bislang) rechtlich weitgehend eingeschränkt: 2008 wurde – nur zu Forschungszwecken – in Ketzin / Brandenburg Kohlendioxid verpresst. Zugelassen ist nur die Verpressung in kleineren Menge und nur in bestimmten dafür geeigneten Boden-Gesteinen wie etwa Basalt (welches es nicht überall gibt); die Frist hierfür ist vor Jahren ausgelaufen; manche Bundesländer haben – teils nach heftigen Protesten aus der Bevölkerung und aufgrund erheblicher Zweifel aus der Wissenschaft – CCS grundsätzlich untersagt.
CO2-Endlagerung – mit nur wenigen Jahren Erfahrung
In einigen nordischen Ländern sind erste kommerzielle Endlagerstätten für CO2 in Planung und Bau – soweit von „Endlagerung“ gesprochen werden kann, die Erfahrungen sind ja kaum 10 Jahre alt. Norwegen will 2024 eine erste kommerzielle Anlage unter der Nordsee in Betrieb nehmen, Dänemark und die Niederlande planen erste Genehmigungen. Island speichert seit knapp zehn Jahren sehr kleine Mengen in ehemaligen Erdgas-Kavernen; hier sind Potenziale von einigen hundert Millionen Tonnen abgetrenntes CO2 im Gespräch. Diese Speichermenge bezieht sich auf die bislang von Island aus der Luft herausgefilterten 4.000 t CO2 – allein Deutschland hat voriges Jahr 666 Millionen Tonnen emittiert!
Nichtsdestotrotz sind das Peanuts, bezogen auf die Gesamtsummen weltweiter CO2-Emissionen aus fossilen Quellen: Der Weltklimarat IPCC oder auch die Internationale Energieagentur (IEA) gehen davon aus, dass bis 2050 hunderte Milliarden (!) Tonnen CO2 gespeichert werden müssten…
Aber CCS ist eine schillernde Greenwashing-Option für die großen Öl- und Gas-Erzeuger-Länder wie Russland, Saudi-Arabien oder – welch Zufall mit der COP28 in Dubai – die Vereinigten Arabischen Emirate, um weiter und vermehrt fossile Energieträger zu fördern und auf den Weltmärkten zu veräußern. Ebenso eine Scheinlösung ist es aber auch für die großen Fossil-Konzerne wie BP, Shell & Co. (inkl. ausgerechnet der Stadtwerke München GmbH, die CCS für ihre noch laufenden Erdgas-Förderungen in der Nordsee durch ihre Tochtergesellschaft Spirit-Energy ins Gespräch bringen…?!). Gern hofiert werden diese Firmen zusätzlich durch politische Ablenker, die stets nach „Technologieoffenheit“ rufen, aber Konsequenzen aus der Klimakrise nicht ziehen wollen, wenn es um die massive Reduzierung der Gewinn-interessanten Förderung von Öl und Gas, statt um Investments in Erneuerbare Energien, geht.
Worum es – seriös – gehen muss: Carbon Capture and Storage ausschließlich für die CO2-Mengen technisch und rechtlich verfügbar zu machen, die trotz größter Bemühungen (technisch) unvermeidbar sind. Und für die Mengen, die – mit riesigem (Energie-) Aufwand – wieder aus der Atmosphäre herausgeholt werden müssen, um die +2 Grad Celsius Anstieg der globalen Mitteltemperatur gegenüber vorindustrieller Zeit vielleicht gerade noch einzuhalten zu versuchen.
Quellen:
DIE ZEIT, 30.11.2023, S. 35