Auch der Klimarat (was ist der Klimarat?) ist zurück aus der Sommerpause. Am 04.10.2022 fand die 7. Sitzung im großen Sitzungssaal des Münchner Rathauses statt – es ging um den Endbericht zum Fachgutachten „Szenarien für ein klimaneutrales München bis 2035”, die Fortschreibung des Klimaanpassungskonzepts und den Stand der Klimaschutzprüfung. Hier ein kurzer Bericht mit ein paar Eindrücken der Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, die im Klimarat sitzen und zu denen auch Klara Bosch und Stephan Mohr aus unserem Netzwerk Saubere Energie gehören.
1. Fachgutachten „Klimaneutral 2035“ im Klimarat München: Wir drehen uns im Kreis
Als 2019 beschlossen wurde, dass München bis 2035 klimaneutral werden soll, hat die Stadt auch ein Gutachten in Auftrag gegeben, das untersucht, wie München überhaupt zur Klimaneutralität gelangt. Nun liegt eine „Beschlussvorlage zum Endbericht des Fachgutachtens“ vor: Zu Beginn geht es kurz um die wichtigsten Maßnahmen in den Bereichen aus dem Grundsatzbeschluss II (einem grundlegenden Beschluss des Stadtrats zur Klimastrategie der Stadt), dann werden Vorschläge für ein Zielcontrolling gemacht und zuletzt noch mögliche Wege zur Kompensation aufgezeigt.
Um die inhaltliche Debatte abzukürzen, schlug die Sitzungsleitung Frau Habenschaden gleich zu Beginn der Sitzung vor, die Stellungnahme in Fokusgruppen zu den unterschiedlichen Bereichen zu erarbeiten.
Wir aus der Zivilgesellschaft haben daraufhin unsere allgemeinen Kritikpunkte vorgestellt:
Erstens: Das Fachgutachten orientiert sich nicht am Münchner CO2-Restbudget. Dieses kann man aus einer pro Kopf-Verteilung aus dem globalen CO2-Restbudget ableiten. Die Maßnahmen zur Reduktion der THG-Emissionen sollten sich an diesem CO2-Restbudget ausrichten.
Zweitens: Das Fachgutachten betrachtet nur die territorialen Emissionen, d.h. die Emissionen, die im Raum München entstehen. Allerdings sind wir für weit mehr Emissionen verantwortlich, zum Beispiel, indem wir Baumaterial verwenden, das woanders CO2-intensiv hergestellt und importiert wurde (mehr dazu z.B. hier). So entsteht ein verzerrtes Bild von Münchens CO2-Bilanz: Es wird mit einem pro Kopf CO2-Ausstoß von ca. 6 Tonnen pro Jahr gerechnet anstatt mit 11 Tonnen pro Jahr – so hoch wäre der Ausstoß pro Kopf, wenn die importierten Emissionen einbezogen würden. Frau Kugler jedoch (Münchens Referentin für Klima und Umwelt) relativiert die Kritik gegenüber der territorialen Bilanzierung: Sie hält es für wichtiger, zuerst solch große Maßnahmen wie die Wärmestrategie für München umzusetzen und Maßnahmen zum Lebensstil und Konsum intensiv in den integrierten Quartiersansatz einzuarbeiten.
In einer der kommenden Klimaratssitzungen werden wir als Vertreter*innen der Zivilgesellschaft eine Berechnung zum Münchner CO2-Restbudget vorstellen. Diese Rechnung soll verdeutlichen, wie weit München gerade über seinem Restbudget liegt.
Zielcontrolling
In der Beschlussvorlage des Fachgutachtens geht es auch um eine Erarbeitung des Zielcontrollings. Es ist vermerkt, dass die Reduktion der CO2-Emissionen in vielen Bereichen schwer zu messen sei. Wir haben daher angeregt, die sehr sinnvollen Zwischenziele und Indikatoren aus dem Maßnahmenplan des Fachgutachtens (auf dem der Grundsatzbeschluss II aufbaut) zu verwenden. Dieser Vorschlag wird nun in das Controlling-Konzept integriert. Ein Beispiel:
Ein Ziel aus dem Sektor „Wärme, Kälte, Strom“ wäre beispielsweise “Reduktion des Energieverbrauchs und der Emissionen durch klimafreundliches Verhalten”. Mögliche Indikatoren dazu wären “Anzahl Wohnungsbaugesellschaften/-genossenschaften, die Maßnahmen zur Mietersensibilisierung zum energieeffizienten Verhalten umsetzen” (Maßnahmenplan Klimaneutralität München, S. 19).
Der Klimarat erarbeitet seine abschließende Stellungnahme nun in Fokusgruppen und stimmt sie per Mail ab.
2. Klimaanpassungskonzept im Klimarat München: Die kleine Schwester vom Klimaschutzprogramm
Info: Beim Klimaanpassungskonzept geht es darum, wie München sich an die Folgen der Klimakrise anpassen kann. Im Klimaschutzprogramm hingegen stehen Maßnahmen, wie München die Emissionen reduzieren kann, um die Klimakrise nicht weiter anzuheizen.
Im zweiten Teil der Sitzung ging es um die “Beschlussvorlage zur Fortschreibung des Klimaanpassungskonzepts I”. Die zuständige Abteilung aus dem RKU hat die Beschlussvorlage zunächst vorgestellt. Dann folgten von Seiten des Klimarats Stephan Pauleit (TU München) erste Kritikpunkte:
Das Klimaanpassungsprogramm ist mit nur 2 Mio. Euro und 10 Stellen vom Volumen deutlich kleiner als die Klimaschutzstrategie. Damit München zu einer wirklich klimaresilienten Stadt wird, ist das deutlich zu wenig. Ein Ziel der Klimaresilienz 2050 für München, vergleichbar mit der Klimaneutralität 2035, würde für mehr Verbindlichkeit sorgen und der Klimaanpassung mehr Bedeutung verleihen. Wir haben außerdem angeregt, Klimaschutz und Klimaanpassung noch stärker zusammenzudenken. Für den nächsten Sommer muss außerdem unbedingt ein Hitzeschutzaktionsplan vorliegen.
Der Klimarat wird auch seine vollständige Stellungnahme zum Klimaanpassungsprogramm erst noch (per Mail) mit allen abstimmen.
3. Stand der Dinge bei der Klimaschutzprüfung
In der letzten Klimaratssitzung hatten die zivilgesellschaftlichen Klimarät*innen ein Update gefordert, wie es um die geplante Klimaschutzprüfung steht: Jedes Projekt der Stadt, z.B. im Bereich „Bauen“, soll zukünftig zuerst auf seine Klimaverträglichkeit geprüft werden. Ein Mitarbeiter aus dem städtischen Referat für Umwelt und Klima lieferte in der vergangenen Sitzung das geforderte Update – das etwas anders ausfiel, als wir erwartet hatten:
Die Klimaschutzprüfung ist derzeit noch in der Pilotphase; das Konzept soll dem Stadtrat im ersten Quartal 2023 vorgestellt werden. Die lange Umsetzungszeit begründet das Referat damit, dass die im Einzelfall betroffenen städtischen Referate die Klimaschutzprüfung jeweils selbst durchführen sollen und dort deswegen erstmal Know-How aufgebaut werden muss – was anscheinend aber auf große Widerstände stößt.
Positiv sehen wir immerhin: Der Klimarat soll die Kriterien der Klimaschutzprüfung und die geplante Vorgehensweise zur Beurteilung erhalten. So werden wir Klimarät*innen stärker in den Erarbeitungsprozess eingebunden.
Bei uns bleiben jedoch einige wichtige Fragen offen: Es gibt etwa keine klare Antwort darauf, wer entscheidet, welche Beschlussvorlagen überhaupt geprüft werden müssen, nach welchen Kriterien die Prüfung abläuft und was die Konsequenzen einer negativen Prüfung sind.
4. Neue Geschäftsordnung des Klimarat München ist beschlossene Sache!
Der Klimarat hat seine neue Geschäftsordnung beschlossen. Nun können auch fünf Mitglieder des Klimarats einen Sitzung einberufen, was den Klimarat zu einem aktiveren Gremium macht. Außerdem hat die Verwaltung wiederholt die Sitzungsunterlagen nicht rechtzeitig vor den Klimaratssitzungen im Ratsinformationssystem veröffentlicht. Wir werden Oberbürgermeister Reiter ein weiteres Mal bitten, die Verwaltung dazu anzumahnen. Nur so können wir richtig arbeiten.
Wie gehts weiter im Klimarat München?
Die nächste Sitzung findet am 09.11.2022 statt: Auf der Agenda steht die Beschlussvorlage zur Mobilitätsstrategie und zur Vision „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Für den Dezember sollte eigentlich gar keine Sitzung anberaumt werden. Dann ist uns zivilgesellschaftlichen Klimarät*innen jedoch aufgefallen, dass im Dezember der sehr wichtige Zwischenbericht zur Wärmestrategie kommen soll (mehr zur Wärmestudie von Ende 2021 hier). Also gibt es vor dem Jahreswechsel doch noch eine Klimaratssitzung am 07.12.2022. Die Sitzungen sind übrigens öffentlich, können also von allen Interessierten mitverfolgt werden!