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Der ungehobene Schatz in der Tiefe: Geothermie in München

Wäre schon praktisch, wenn die Energie, die wir zum Leben benötigen, einfach aus dem Nichts käme und wir nicht erst tief in der Erde nach Öl und Gas bohren müssten. Leider wurde in den letzten Jahren und Jahrzehnten aber systematisch vernachlässigt, dass es tatsächlich eine solche Energiequelle quasi aus dem Nichts gäbe  – nämlich aus der Erde: Geothermie.

Was ist Geothermie, wozu ist sie da und warum brauchen wir sie für die Energiewende?

Je tiefer man in die Erdoberfläche eindringt, desto wärmer wird es: Bei uns in Deutschland beispielsweise steigt die Temperatur pro 100 m Tiefe um ca. 3 °C (Quelle: Umweltbundesamt). Geothermie bezeichnet die Nutzung dieser natürlich vorhandenen Erdwärme für die Wärme-, aber auch Stromversorgung. Dabei wird zwischen oberflächennaher und tiefer Geothermie unterschieden:

  • Bei oberflächennaher Geothermie geht es um den Bereich bis zu 400 m unter der Oberfläche. Mit Wärmepumpen können sie z.B. einzelne Gebäude beheizt werden.
  • Tiefengeothermie hingegen geht 400 m bis 5.000 m tief in den Boden, die Temperaturen sind hier ungleich heißer. Die Energie, die daraus gewonnen werden kann, kann ganze Stadtteile mit Wärme versorgen oder unter Umständen auch Strom erzeugen.

Vorteile von Geothermie (Auswahl):

  • Erdwärme ist immer vorhanden – sie ist erneuerbar, als Ressource kostenfrei und wird nicht von äußeren Faktoren wie Witterung oder Jahreszeiten beeinflusst, ist daher konstant und zuverlässig. Sie muss nicht gespeichert werden, sondern kann direkt nach Bedarf genutzt werden. 
  • Geothermie liefert potentiell endlos Energie ganz ohne CO2-Emissionen – sie ist damit klimaneutral.
  • Lange Transportwege entfallen, da geothermische Wärme überall, also nahe an den Endverbraucher*innen, erzeugt werden kann. So fällt auch die Abhängigkeit vom Import von Rohstoffen weg – entsprechend die Abhängigkeit von Exportländern wie Russland.
  • Die Technik für Geothermie gilt als ausgereift, die Risiken sind gering, gut bekannt und mit moderner Technik sehr gut zu kontrollieren.
  • Im Gegensatz zum – zu Recht – oft scharf kritisierten “Fracking”, bei dem bei der Bohrung nach Öl oder Gas u.a. giftige Chemikalien in den Boden gepumpt werden, kommen Geothermie-Bohrungen ohne solche schädlichen Nebeneffekte aus.
  • Auch sind Geothermiekraftwerke, sobald die Bohrungen einmal abgeschlossen sind, im Verhältnis zu anderen erneuerbaren Energien unscheinbar im Landschafts- oder Stadtbild. Sie sind geräuscharm und verbrauchen wenig Platz (zum Beispiel verglichen mit einem Solarpark). 

(Der Bundesverband für Geothermie hat hier eine umfangreiche FAQ-Liste mit spannenden Informationen zusammengestellt.)

Wie funktioniert Geothermie?

Geothermie funktioniert meist mit Wasser: Heißes Wasser aus dem Erdinneren wird an die Oberfläche gepumpt, dort wird ihm im Kraftwerk mit einem Wärmetauscher die Wärme entzogen und das abgekühlte Wasser wieder in die Erde geleitet. Das ganze funktioniert als geschlossener Kreislauf. Die Wärme, die der Wärmetauscher dem Wasser entnimmt, kommt dann über das Fernwärmenetz zu den angeschlossenen Haushalten (mehr zu Fernwärme).

Wo funktioniert Geothermie?

Da die Erdwärme aus dem Erdinneren kommt, ist sie grundsätzlich auf dem ganzen Planeten verfügbar. Allerdings nehmen die Temperaturen der Erdkruste an unterschiedlichen Orten verschieden stark zu und es ist nicht überall gleich einfach, die Erdwärme für die Energieversorgung zu nutzen. Wenn man also von Regionen spricht, in denen Geothermie möglich ist, geht es immer nur um die technische Umsetzung und die Rentabilität der Erdwärme-Nutzung.

Da Geothermie, wie beschrieben, oft mit Wasser funktioniert, sind besonders Standorte mit Thermalwasservorkommen geeignet. In Deutschland sind das beispielsweise das Norddeutsche Tiefland, das Oberrheintal und das sog. Süddeutsche Molassebecken, also die Region zwischen Donau und Alpen – genau: da, wo München liegt.

Eine schöne Grafik hier.

Stromerzeugung mit Geothermie?

Grundsätzlich kann man mit Erdwärme auch Strom herstellen. Das heiße Wasser aus der Tiefe kann eine Dampfturbine zur Stromerzeugung antreiben, allerdings ist das erst ab Wassertemperaturen von 90 °C wirtschaftlich sinnvoll. Entsprechend eignen sich nicht alle Geothermiestandorte auch für die Stromerzeugung.
Der Standort München eignet sich nicht, um mit Geothermie (wirtschaftlich) Strom zu erzeugen. Die Tiefenwassertemperatur ist zu niedrig. Die SWM.Geothermie-Anlage Sauerlach erzeugt in geringem Umfang derzeit auch Strom, soll aber demnächst auf reine Wärme umgebaut werden. 

Wie sieht die Geothermie-Lage in München aus?

Wie oben schon angedeutet: München hat eine hervorragende Ausgangslage für die Nutzung von Geothermie. Wer schon mal in den Erdinger Thermen oder im Michaeli-Bad war, kann sich das leicht vorstellen. 

München wurde vor Jahren schon international als Vorreiter für Geothermie gefeiert. Darauf haben sich die Münchner Stadtwerke ganz schön ausgeruht: Im Gegensatz zu einigen Umlandgemeinden Münchens, wie Riem oder Sauerlach, hinkt München ihren eigenen Zielen im Geothermieausbau seit Jahren hinterher, so formuliert es der Linken-Fraktionsvorsitzende im Münchner Stadtrat, Stefan Jagel (Quelle: BR). Noch 2016 hatten die SWM sich selbst zum Ziel gesetzt, fünf Geothermieanlagen im Stadtgebiet zu errichten. Derzeit sind das erst zwei – und das wird sich bis min. 2028 nicht mehr ändern. Das erklärt auch, warum die SWM angesichts des Ukraine-Kriegs die Fernwärmepreise um über 160 % angezogen haben, während sie in den geothermieversorgten Umlandgemeinden weit niedriger geblieben sind. (Quelle: Die LINKE)

Fasst man München Stadt und Umland zusammen, sind derzeit sechs Geothermieanlagen in Betrieb. Die beiden Anlagen im Stadtgebiet befinden sich in Freiham und, erst jüngst in Betrieb gegangen, in Sendling – zurzeit Deutschlands größte Geothermieanlage, die laut SWM-Angaben 80.000 Münchner*innen mit Wärme versorgen wird (noch in Probebetrieb). Die anderen vier Geothermieanlagen versorgen das Münchner Umland, nicht die Stadt. Die nächste tatsächlich Münchner Anlage wird beim Michaeli-Bad entstehen, Inbetriebnahme ist 2029 geplant.

Im Jahr 2020 wurden nur 14% der Münchner Fernwärme erneuerbar erzeugt (Quelle: SWM Nachhaltigkeitsbericht, S. 17) – und Fernwärme macht auch nur 40 % der Münchner Wärmeversorgung aus (Quelle: Wärmestudie, S. 101).

Wärmestudie – leider kein “Fahrplan Geothermie”

Viel hatten wir uns von der vor wenigen Monaten endlich veröffentlichen Wärmestudie der Stadt München erhofft. Die “Wärmestudie” soll Maßnahmen und Richtungen aufzeigen, wie München möglichst schnell eine Wärmewende hinlegen kann – im Idealfall bis 2035, damit das Ziel, als Stadt bis 2035 klimaneutral zu sein, in diesem Sektor eingehalten werden kann.

In puncto Geothermie ist die Wärmestudie besonders eins: Unzureichend. Sie stellt nur die Pläne dar, die die SWM zum Geothermieausbau bereits haben – angesichts Ukraine- und Klimakrise müssten diese Ausbaupläne aber nun wesentlich ambitionierter ausfallen. Besonders vermissen wir die Erschließung neue Standorte für Geothermieanlagen im Münchner Stadtgebiet.

Eine umfangreiche Kritik und Zusammenfassung der knapp 300-seitigen Studie haben wir hier bereits veröffentlicht. Hier nochmal die wichtigsten Kritikpunkte zur Geothermie:

  • Es fehlt die Benennung jeglicher konkreter neuer Standorte für Geothermieanlagen.
  • Es fehlen konkrete Projekte-Terminpläne – samt Projekte-Monitoring und -Controlling – für neue Geothermieanlagen und ggf. deren neu zu errichtenden Verbindungsleitungen, die Umrüstung des Dampf- auf ein Heißwassernetz, …
  • Alle in der „Wärmestudie“ als notwendig und sinnvoll dargestellten Investitionen in der Wärme-Strategie (3,8 – 4,4 Mrd. €) sind nicht nur nicht finanziert, sondern stehen unter klarem Finanzierungsvorbehalt. D.h.: Wann das Geld für die erforderlichen Investitionen vorhanden sein wird, wann sie also tatsächlich umgesetzt werden, ist schlicht unbekannt.
  • Außerdem: Es gibt gar keinen Beschlussantrag an den Stadtrat, dass die Stadtwerke beauftragt und/oder ermächtigt werden sollen, die „Wärme-Strategie Geothermie-Fernwärme“ gemäß „Wärmestudie“ überhaupt umzusetzen.

Unsere Forderungen zu Geothermie in München

Unsere grundsätzliche Forderung lautet natürlich: Wir brauchen die Wärmewende! 100% erneuerbare Wärme, und das bis 2035. Konkret für Geothermie fordern wir:

  • Mehr Standorte in München müssen erschlossen werden: Auch auf dem Stadtgebiet lassen sich Geothermieanlagen realisieren, wie das Beispiel Michaeli-Bad zeigt. Wo fänden sich weitere Möglichkeiten? Was ist aus dem Standort Schwere-Reiter-Straße geworden? Wir brauchen mehr Geothermie, schnell: Wir können nicht ein Kraftwerk nach dem anderen mit einem Abstand von 8 Jahren* errichten. In München wird gebaut ohne Ende. Kann man wirklich nicht ein zusätzliches Bürogebäude opfern?
  • Priorisierung Netzumbau: Leider ist es so, dass Fernwärme, die geothermisch hergestellt wurde, anders funktioniert als Fernwärme, die z.B. aus Gaskraftwerken kommt (wie bisher größtenteils in München). Deshalb muss das Wärmenetz in München schnellstmöglich von einem Dampf- auf ein Geothermie-geeignetes Heißwassernetz umgebaut werden. Dieser Umbau muss priorisiert werden, auch wenn damit ein immenser Aufwand verbunden ist (sämtliche Straßen über den bestehenden Leitungen müssen aufgerissen werden). Stadtverwaltung und Co. müssen hier an einem Strang ziehen und den Fuß von der Bremse lösen.
  • Anschluss der Umlandgemeinden: Das Wärmenetz Münchens muss mit dem der Umlandgemeinden verbunden werden, die bereits Geothermiestandorte haben. So kann die Energie dort effizienter genutzt werden So kann das verfügbare Potential dort besser ausgenutzt und die Wärme kann auch in München genutzt werden.  

* (Anm.: 8 Jahre wird voraussichtlich zwischen Inbetriebnahme des neuesten Geothermie-Werks Sendling 2021 und das geplanten nächsten Werks im Michaelibad 2029 liegen)