Immer mehr Gebiete Afrikas, Asiens und Lateinamerikas werden von extremer Hitze ausgedörrt oder von Flutwellen überschwemmt, ganze Insel-Staaten und Millionen-Städte an den Meeresküsten drohen zu verschwinden. Vor aller Augen strukturiert sich die Welt neu: In Zonen, die womöglich bewohnbar bleiben – auch auch sie von Hitzetagen, Dürren oder Unwetter-Ereignissen betroffen sind – und in solche ohne Rechte und Zukunft, aus denen nur Klimaflucht als Option bleibt. Das Fortschrittsversprechen auf ein besseres Morgen für alle Menschen ist hinfällig, die Klimakrise ist da – eine andere Klimapolitik ist es bislang nicht.
Internationale Klimapolitik der letzten Jahrzehnte – Ungerechtigkeit zwischen Verursacher*innen und Betroffenen
Um 1990 herum lag die CO2-Konzentration in der Atmosphäre bei 350 ppm. Wäre dieser Wert seitdem eingehalten worden, hätten wir heute ein sicheres Klimasystem, sagt die Klimawissenschaft. Die Chancen, das zu erreichen, hat es gegeben: Vor über 30 Jahren, 1992, fand die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung, die „Rio-Konferenz“, statt. Sie beschloss die „Klimarahmenkonvention“ (UNFCCC) mit dem darin verankerten Ziel, eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems zu verhindern. Der Konvention folgte 1995 die erste Weltklimakonferenz (COP1) in Berlin. „Kyoto 2005“ (COP11) brachte viele Erkenntnisse, aber wenig Umgesetztes. 2015, 20 Jahre nach der COP1, verabschiedete die 21. Weltklimakonferenz (COP21) das (völkerrechtlich verbindliche) „Pariser Abkommen“ mit dem Ziel, die globale Erwärmung auf möglichst +1,5 Grad Celsius gegenüber vorindustrieller Zeit zu begrenzen.
Auf der letzten COP27 2022 in Sharm El Sheikh, Ägypten, wurden die Forderungen aus den Ländern des Globalen Südens lauter. Doch grundsätzliche Veränderungen werden nach wie vor von den führenden Wirtschaftsnationen – USA, Europa, China – verhindert. Die Folgen tragen diejenigen, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben: Die Natur, die Jüngeren, die Ärmeren (unabhängig, wo sie leben), die Menschen im Globalen Süden.
1,5 Grad Celsius rücken in weitere Ferne
Einstweilen steigen die globalen Treibhausgasemissionen, statt zu sinken: Laut der Internationalen Energie-Agentur (IEA) wurde 2022 sogar ein neues Temperaturmaximum erzielt. Soll das +1,5-Grad-Ziel in Reichweite bleiben, müssten die Emissionen zwischen 2025 und 2030 halbiert (!!!) werden und bis 2050 sogar unter Null liegen.
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(Foto: SZ-Grafik; Quelle: UNFCCC)
Im November 2023 wird die Vertragsstaatenkonferenz „Conference of the Parties“ COP28 in Dubai stattfinden – und die Welt steuert (bei aktuell 420 ppm CO2-Konzentration in der Atmosphäre) bis 2050 im besten Fall auf eine +2,4-Grad-Erde zu, eher wohl +2,5 bis +2,9 Grad Celsisu, konstatiert der Weltklimarat IPCC in seinem Sachstandsbericht von 2022.
Gibt es Hoffnung? Ziel für die Delegationen der COP28 sollte es sein, „Paris 2015“ konkret auszubuchstabieren: Bislang ist – immerhin völkerrechtlich verbindlich – vertraglich vereinbart, dass die beigetretenen 197 Staaten verpflichtet sind, die Erderwärmung auf deutlich unter +2 Grad Celsius, möglichst jedoch auf +1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dazu müssen sie unter anderem regelmäßig nationale Treibhausgas-Reduzierungspläne vorlegen. Diese Pläne selbst sind jedoch nicht verbindlich und auch nicht einklagbar. Auch Deutschland hat die geforderten Treibhausgas-Reduktionspläne zwar meist brav übermittelt, aber eingehalten wurden diese nie.
In Dubai nun soll die erste der alle fünf Jahre fälligen globalen Bestandsaufnahmen, der sogennanten „global stocktake“, abgeschlossen werden. Dabei werden die nationalen Umsetzungen der nationalen Klimaschutzbeiträge mit den übergeordneten globalen Zielen des Paris-Abkommens abgeglichen. Das soll zu einer Steigerung der globalen und jeweils nationalen klimapolitischen Anstrengungen führen. Aber: „Wir sind bei weitem nicht da, wo wir sein müssten“, so Simon Stiell, Chef des UN-Klimasekretariats.
„Blaupause Kurskorrektur“ für die internationale Klimapolitik
Es wird also nach den bislang völlig unzureichenden Zwischenergebnissen eine Art Folgevereinbarung von Paris, „Dubai 2023“ (?), geben müssen, in der sich die Vertragsstaaten erneut und dann hoffentlich verbindliche Leitplanken setzen müssten. Dazu soll die „Blaupause Kurskorrektur“ dienen, ein 62-seitiger Bericht des UN-Klimasekretariats, der beispielsweise fordert:
- Verdreifachung der Erneuerbaren Energien und Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030,
- Beendigung aller Subventionen fossiler Energien bis 2025 (allein in Deutschland bis 80 Mrd. Euro pro Jahr!)
- Beendigung der Neu-Erschließung fossiler Energiequellen ab 2030
- Ende jeglicher energiewirtschaftlicher Kohleverbrennung bis 2040 (zumindest wenn dies ohne Carbon Capture Storage CCS – also ohne CO2-Abscheidung und -Speicherung – geschieht)
- Verbot der Zulassung neuer nicht emissionsfreier Fahrzeuge ab 2025
- Beendung jeglicher Entwaldung ab 2030
- Verdreifachung der Finanzströme der Entwicklungsbanken zwecks Klimaanpassung an Länder des Globalen Süden auf 180 Mrd. US-Dollar bis 2028
- …
Um verbindlich zu sein, müssten diese Leitplanken in einem neuen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag beschlossen werden – und alle 196 Vertragsstaaten müssten zustimmen. Noch aber besteht in vielen Punkten kein Konsens. Umstritten ist insbesondere, wer was zur Lösung beitragen soll: Bislang sind „wir“, die Reicheren aus dem globalen Norden, nicht bereit, für die von uns historisch zu verantwortenden Klima-Schäden und -Anpassungsmaßnahmen zu haften. Gleichzeitig hinterfragen „wir“ unsere Weise des Wirtschaftens nicht, um diese zugunsten deutlich geringerer Treibhausgas-Emissionen schnell und dauerhaft zu ändern.
Quellen:
- Vereinten Nationen (UNO) – Climate Change, „Global Stocktake“
- Sechster Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC, März 2023
- Internationale Energie-Agentur, World Energy Outlook 2022
- Süddeutsche Zeitung, „Tag X rückt näher“, 04.10.2023, S. 5 (Online mit Paywall)
- Süddeutsche Zeitung, „UN warnen: Die Welt versagt beim Klimaschutz“, 15.11.2023 (Online)