Netzwerk Saubere Energie München

Stapel Briefe

Briefwechsel zwischen Klimarat und Dr. Helmut Paschlau

Am 29.02.24 wird im Klimarat München über den Umbau des Münchner HKW Nord vom Steinkohle- in einen Erdgasblock diskutieren. Der Münchner Klimarat, das ist ein Gremium von Expert*innen, besetzt mit Mitgliedern aus Verwaltung (2 Personen), ehrenamtlichem Stadtrat (5 Pers.) sowie Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft (3 Pers.), Wirtschaft (3 Pers.) und Wissenschaft (3 Pers.). Prinzipiell soll der Klimarat in städtischen Grundsatzentscheidungen zum Thema Klimaschutz Stellung nehmend einbezogen werden – ob er tatsächlich einbezogen wird und welche Beachtung diese Stellungnahmen finden, steht auf anderen Blättern. Weiterhin soll er laut Homepage „die Landeshauptstadt als kritisch-konstruktiver Begleiter der städtischen Klimaschutzpolitik bei der Erreichung der Klimaschutzziele unterstützen.“ – doch Begleitung und Unterstützung führen noch nicht zu einer zukunftsweisenden, enkeltauglichen Klimaschutzpolitik.

Im Vorlauf zu besagter Klimarats-Sitzung am 29.02.24 wurde vom Netzwerk Saubere Energie ein Faktenblatt an alle Klimarät*innen verschickt zum Stand der Diskussion und aktueller Situation von besagtem umzubauenden Block 2 des Heizkraftwerkes Nord. Auf dieses Faktenblatt reagierte Christof Timpe, Mitglied des Klimarates als Vertretung für die Wissenschaft. Darauf ging Dr. Helmut Paschlau in einer Antwort ein, worauf Christof Timpe erneut reagierte, … Den Schriftverkehr geben wir hier wieder.

Christof Timpe, Montag, 26.02.24

Sehr geehrter Herr Paschlau,

Danke für die Übersendung Ihres Papiers. Das ist eine gute Gelegenheit, im Vorfeld des Klimarats ein paar Argumente auszutauschen.

Ich gehe nachfolgend auf die mir wichtigen Aspekte ein und wäre Ihnen für eine Antwort noch vor der Sitzung des Klimarats dankbar.

Effekte eines Verzichts auf Nord 2 im Gasbetrieb auf die Treibhausgasemissionen

Ihre Argumentation erweckt den Eindruck, dass die Emissionen vermieden werden könnten, wenn das HKW Nord 2 in den präferieren „warmen Standby“ gehen würde und nur bei akuten Engpässen im Stromnetz eingesetzt werden würde.

Ein auf Gas umgestellter Block 2 würde von dem SWM dann eingesetzt werden, wenn dieser Einsatz für die SWM wirtschaftlich ist. Bei einer Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage müssen hierzu entsprechende Rahmenbedingungen auf der Strom- und/oder Fernwärmeseite vorliegen. Daher ist zu fragen, was auf der Strom- und Wärmeseite die Alternativen zu dem vom Betrieb des auf Gas umgestellten Blocks 2 wären.

  • Auf der Fernwärmeseite dient der Block m.W. zur Speisung der nördlichen Fernwärmenetze im Winter sowie über die Dampfschiene zum Standort Süd auch zur Reservestellung für die anderen Teile des Verbundnetzes. Aufgrund der betriebswirtschaftlichen Einsatzreihenfolge („Merit Order“ der Anlagen in aufsteigender Reihenfolge ihrer variablen Kosten) wird das HKW 2 Nord mit Gasbetrieb in beiden Fällen nur nachrangig zu erneuerbaren Energien zum Einsatz kommen, d.h. bevor die SWM das Gaskraftwerk einsetzen, werden die erneuerbaren Wärmeerzeuger voll ausgefahren. Wenn der Bedarf die erneuerbare Erzeugungskapazität überschreitet und ein auf Gasbetrieb umgestellter Block Nord 2 nicht zu Verfügung stehen würde, dann müssten die SWM wahrscheinlich ebenfalls mit Erdgas betriebene Spitzenlastkessel einsetzen. Diese Kessel hätten aller Voraussicht nach höhere Emissionen als ein auf Gas umgestellter Block 2, da sie keinen Strom erzeugen. Um die Emissionen auf der Fernwärmeseite zu senken, müssen also die Erneuerbaren auch im nördlichen Teil des Fernwärmenetzes so schnell wie möglich ausgebaut werden, damit ein auf Gas umgestellter Block 2 obsolet wird. Hierauf sollten sich die klimapolitischen Forderungen an die SWM konzentrieren.
  • Auf der Stromseite ergibt sich ein Anreiz für den Betrieb eines auf Gas umgerüsteten Block 2 genau dann, wenn die Strompreise bundesweit (oder in einer künftigen süddeutschen Preiszone) hoch sind. Diese Preise sind ein Anzeichen dafür, dass die Stromerzeugung nicht durch erneuerbare Energien gedeckt werden kann und der Einsatz fossiler Kraftwerke erforderlich ist. Wenn diese Situation eintritt und ein auf Gasbetrieb umgestellter Block Nord 2 nicht zu Verfügung steht, dann müsste ein anderer Kraftwerksbetreiber ein fossiles Kraftwerk einsetzen, das (entsprechend der „Merit Order“ im Strommarkt) ähnlich hohe oder höhere variable Stromerzeugungskosten hat im Vergleich zu dem mit Gas betriebenen Block Nord 2. Das wird mit Sicherheit ein fossiles Kraftwerk sein, sehr wahrscheinlich mit mindestens so hohen Emissionen wie Nord 2 im Gasbetrieb.

Insofern kann ich nicht erkennen, warum ein Nicht-Betreiben von Nord 2 zu einer Reduktion von Treibhausgasen führen sollte, solange die erneuerbaren Energien nicht für die Bedarfsdeckung ausreichend ausgebaut sind. Ohne den umgestellten Block 2 sind sogar höhere Emissionen erwartbar. Ob diese Emissionen in Unterföhring, in München oder anderswo anfallen, ist im Fall der global wirksamen Treibhausgasemissionen irrelevant.

Die von Ihnen geforderte Kopplung der Laufzeitende des Betriebs von Nord 2 Gas mit dem Ende der Systemrelevanz des Blocks erscheint mir daher nicht sinnvoll. Vielmehr denke ich, dass die erneuerbaren Wärmequellen für den Münchner Norden (ggf. auch mit entsprechenden Anlagen am Standort in Unterföhring) sowie die erneuerbare Stromerzeugung in Süddeutschland zügig ausgebaut werden müssen. Wenn wir hier deutlich weitergekommen sind, wird es sinnvoll sein, den auf Gas umgestellten Block 2 stillzulegen.

Die politisch gesetzte Begrenzung des jährlichen Kohleeinsatzes am Standort Nord war sinnvoll, weil es mit Erdgaskraftwerken anderswo in Süddeutschland Anlagen mit niedrigeren Emissionen, aber höheren Kosten gab, die so zum Einsatz gebracht werden konnten. Eine entsprechende Beschränkung für den Gasbetrieb, den Sie fordern, wäre m.E. nicht sinnvoll, weil dies tendenziell zu höheren Emissionen führen würde. Dabei ist irrelevant, ob mit dem Block Nord der Strombedarf Münchens oder Europas gedeckt wird, denn die Stromversorgung ist nun mal europaweit vernetzt.

Ihre Annahme einer 100% Auslastung des auf Gas umgestellten Blocks 2

Sie argumentieren, dass eine Umstellung von Nord 2 auf Erdgas aufgrund einer dann nicht mehr geltenden Beschränkung der Betriebsjahre und der jährlichen Betriebsstunden zu einer Vervierfachung der erwartbaren Emissionen führen könnte. Diese Argumentation halte ich für nicht zutreffend.

Zum einen ist eine 100% Auslastung eines Gaskraftwerks eine vollkommen unrealistische Annahme. Aufgrund der „Merit Order“ im Strommarkt werden in KWK betriebene Gaskraftwerke auf jeden Fall nachrangig zu den erneuerbaren Energien eingesetzt. Auf der Position hinter den Erneuerbaren konkurrieren fossile Kraftwerke mit Kohlebetrieb (hoffentlich ab 2030 stillgelegt) mit denen mit Gasbetrieb. Die wirtschaftliche Einsatzreihenfolge hängt hier von den Relationen von Kohlepreis zu Gaspreisen und vom Preis der Emissionsrechte im EU-Emissionshandel ab.

Nach einem Kohleausstieg würden die Erdgaskraftwerke sicherlich stärker ausgelastet werden, weil sie nicht mehr mit den Kohlekraftwerken konkurrieren müssen. Das ist aber ein klimapolitisch erwünschter Effekt, denn im Vergleich zu den Kohleanlagen werden hierdurch insgesamt die Emissionen reduziert. Die Fachleute des Öko-Instituts gehen von Auslastungen von etwa 50% in der Zeit unmittelbar nach dem Kohleausstieg aus.

Längerfristig ist dagegen wieder mit deutlich niedrigeren Auslastungen der Gaskraftwerke zu rechnen. So geht der Netzentwicklungsplan Strom (2. Entwurf des NEP 2037-2045 Teil 1, Abbildung 24) je nach Szenario von Auslastungen zwischen 660 und 1.164 Stunden pro Jahr aus, das entspricht einer Auslastung von 8% bis 13%.

Soweit die m.E. wichtigsten Punkte. Ich bin gespannt auf Ihre Einschätzungen hierzu.

Mit besten Grüßen
Christof Timpe

Helmut Paschlau, Dienstag, 27.02.2024

Hallo Herr Timpe,

danke für Ihre Anfrage an mich für das Netzwerk Saubere Energie München. Ja, es ist überfällig, dass über die Folgen des Umbaus des Kohleblock 2 im HKW Nord in „dauerhaften Erdgasbetrieb“ ernsthaft diskutiert wird: Zwei Jahre lang hat man „vergessen“, den Klimarat dazu zu befassen, und eine (neutrale) Klimaverträglichkeitsprüfung ist bis heute nicht durchgeführt. Von dem, was Sie beschreiben – Paradigmenwechsel mit künftiger Fahrweise des „neuen Erdgaskraftwerks“ nach merit-order – dürften nur wenige Stadträt:innen etwas wissen; jedenfalls wurde im Stadtrat noch nie darüber debattiert und es gibt dazu auch keinen zustimmenden Beschluss!

Ja, es ist korrekt, dass – würde der Gas-Block 2 künftig warm-stand-by betrieben und nur im Wärme- oder Strom-Notfall hochgefahren – erheblichste Mengen von CO2 vermieden werden könnten (was Vertreter der Stadtwerke München in hochrangig-internen Gesprächen auch bestätigt haben).

Aber, wie Sie richtig beschreiben, liegt das nicht im wirtschaftlichen Interesse der SWM:

Heute ist Block 2 – 1991 als „Abfallbeseitigungsanlage“ genehmigt – eine überwiegend Wärme-geführte KWK-Anlage in erster Linie für die Wärmeerzeugung für die Nachfrage in den Fernwärmenetzen Münchens; zusätzlich wird Strom ins bayerische Netz eingespeist, insbesondere bei etwaigen Frequenzinstabilitäten („Systemrelevanz“). Für die Stromversorgung Münchens ist Block 2 irrelevant. Für die Wärmeversorgung Münchens ist er nicht für den Regelbetrieb (auch nicht im Winter), sondern nur für den „n-1-Wärme-Notfall“ (Ausfall HKW Süd bei minus 16 Grad Celsius) erforderlich – das hat der TÜV_Süd in seinem städtisch beauftragten Gutachten 10_2019 festgehalten. Und Sie, Herr Timpe, haben in Ihrem Ökoinstitut-Gutachten 11_2019 dazu ausgesagt, dass es für diesen n-1-Fall kostengünstigere und klimafreundlichere Lösungen als ein Großkraftwerk gibt (daraus wurde dann die „Kleine Heizwerke-Lösung“ entwickelt).

Doch dass der Netzbetreiber (aufgrund EnWiG) alle Kosten für einen warm-stand-by-Betrieb Gas-Block 2 übernimmt, genügt den SWM augenscheinlich nicht. Ab Herbst 2024 wollen die Stadtwerke den dann umgebauten Erdgas-Block nach merit-order fahren, also gesteuert nach den Strompreis-Erlösen für bundesdeutsche/europäische Strombedarfe, nicht mehr nach Wärme-Nachfrage München. Davon rechnen sie sich – wie Sie richtig beschreiben – in der künftigen „Hochpreiszone“ höhere Gesamterlöse aus. Ein klassischer Fall von „Gewinne statt Klima“.

Zu Ihren Anmerkungen im ersten Spiegelpunkt: Ihre Beschreibung merit-order Wärme ist m.E. unzutreffend, weil dies nur für Strom bundesweit, nicht für Wärme München zutrifft; die Fernwärmeversorgung in München ist überwiegend gebietsbezogen organisiert. Richtig ist – so der TÜV schon 2019 – dass es ohne Block 2 ausreichend Wärmekapazitäten zur Abdeckung des Regelbedarfs auch in kalten Wintern gibt; und 2023 ist ja noch die Geothermieanlage Schäftlarnstr. hinzugekommen. Und alle diese Geothermie- und fossilen Heiz- und Heizkraftwerke in München fahren im Winter zwecks Wärme für die Fernwärmenetze (und Strom in HKW Süd und HKW Freimann) ja ohnehin, mit den entsprechenden CO2-Emissionen aus den fossilen Anlagen. Der Gas-Block 2 mag „effizienter“ sein, aber nicht erforderlich und in Summe auch nicht nennenswert emissionsärmer.  

Zweiter Spiegelstrich: Da beschreiben Sie genau den SWM-Paradigmenwechsel, dass das neue Erdgas-Kraftwerk künftig nach merit-order nach bundesweiter/ europäischer Markt-Nachfrage Strom-geführt gefahren werden soll, immer dann, wenn kostengünstigerer erneuerbarer Strom nicht ausreichend vorhanden ist. Aber in diesen Fällen steht Block 2 dann in wirtschaftlicher Konkurrenz zu anderen, ausreichend leistungsfähigen Gaskraftwerken in Deutschland – bei vergleichbaren CO2-Emissionen, also gleicher „Klima-Last“. Dies, ohne dass der (wenige) Strom aus München für die bundesweite Bedarfsdeckung erforderlich wäre – dieser verdrängt nur andere Gaskraftwerke, die höhere Gestehungskosten haben. Es tritt mit Gas-Block 2 also „nur“ ein neuer Stromanbieter auf den deutschen Markt. Auf „Fahrweise Block 2 nur im Notfall“ reduzieren, würde die Treibhausgasemissionen also deutlich verringern, weil ein fossiles Kraftwerk „vom Markt genommen“ würde. Das gilt insbesondere auch dann, wenn die Systemrelevanz – etwa 2027/28 – entfallen sein wird; wohingegen der Gas-Block „zunächst“ bis 2035 weiterbetrieben werden soll, sogar über die übliche Lebensdauer des Kraftwerks bis 2030 (so die SWM-Aussage 2021 gegenüber Unterföhring) hinaus.

Ihre Bewertung, dass bei Kohle eine Lastbegrenzung auf (jahresdurchschnittlich) max. 38% sinnvoll war, teile ich. Aber genau eine solche Lastbegrenzung wollen die Stadtwerke bei Gas nicht mehr, weil mit Gas nach merit-order, also nach bundesweiten Strompreis-Erlösen, gefahren werden kann, mit Steinkohle aber eben nicht (weil technisch bedingt zu träge). Niemand behauptet, dass der Gas-Block 2 in Zukunft immer in Volllast gefahren werde – mit dann Vervierfachung der CO2-Emissionen –, sondern dass die SWM sich nicht (mit weniger als 100%) begrenzen lassen, sondern „flexibel sein“ und auch 100% Gas fahren können wollen, immer wenn der Markt das ermöglicht. Was zu einer „Vervielfachung“ oder „bis Vervierfachung“ der CO2-Emissionen führen kann, wie wir befürchten und (plakativ) verweisen. Und deshalb geben die Stadtwerke ja auch nicht an, wann sie den Gas-Block mit welcher Leistung (und wieviel CO2) fahren werden – eben weil das die künftigen Marktkonditionen ergeben werden, heute also nicht vorhersehbar ist.

Genau deshalb fordern die fachkundigen Engagierten aus der Zivilgesellschaft einen Stadtratsbeschluss mit klarer Laufzeit- und Lastbegrenzung (am besten in warm-stand-by), damit – marktbedingt – nach Gas-Umbau nicht mehr, sondern weniger CO2-Emissionen entstehen als bei einer 38%-begrenzten Kohleverbrennung bis 2027. Klimaschutz, das war der Kern des erfolgreichen Bürgerentscheids „Raus aus der Steinkohle bis 2022″ der Münchner:innen aus 2017; und nicht „Vermehrung“ CO2 „weil Markt“. Und in diese Richtung geht auch der einstimmige Beschluss des Gemeinderates Unterföhring mit dem dortigen neuen Bebauungsplan zum HKW Nord: Künftig gilt dort rechtlich nur „fossiler Bestandsschutz“ und nicht – wie beabsichtigt – Stromproduktion für europäische Nachfrage in einem „neuen Erdgas-Kraftwerk“ (so die Befürchtung im Gemeinderat). Ohne deutliche Begrenzung von Last und Laufzeit wird es für den Umbau des Kohleblocks 2 in dauerhaften Erdgasbetrieb im Gemeinderat Unterföhring (nach meiner Beobachtung) keine Zustimmung geben.

In der Begründung der seinerzeitigen Genehmigung (Planfeststellungsbeschluss 1991) ist bei Gas-Betrieb – immerhin bis 88.000 Kubikmeter pro Stunde! – nur für das Anheizen des Kohlekessels oder bei Smog-Lagen die Rede, nicht aber von „dauerhaftem Erdgasbetrieb“. Dafür wurde der Kohlekessel weder konzipiert, noch genehmigt, noch gebaut und nie betrieben. Es mag sein, dass die Genehmigungsbehörde immissionsschutzrechtlich trotzdem „den Stempel draufhaut“, weil die BImSchVO-Grenzwerte aus der Genehmigung 1991 (pro Einheit) nicht überschritten werden. Aber das ist klimapolitisch irrelevant, weil in der BImSchVO bekanntlich keine Grenzwerte für Treibhausgase und für CO2 vorgeschrieben sind. Aber genau darum geht es: Um die klimapolitische Verantwortung des Münchner Stadtrates angesichts seiner Ausrufung „Klimanotstand München“ 2019 und seines Beschlusses „Klimaneutralität Stadtverwaltung (inkl. SWM) bis 2030″.

Danke, Herr Timpe, dass Sie die entscheidende Frage so klar gestellt haben – die Sitzungen des Klimarats und dann (hoffentlich) des Stadtrates dürften interessant werden. Die Zivilgesellschaft (und die Medien) werden das weitere Vorgehen sicherlich mit Interesse verfolgen.

Mit klimafreundlichen Grüßen
für das Netzwerk Saubere Energie München, 27.02.2024

Dr. H. Paschlau

Christof Timpe, Dienstag, 27.02.2024

Hallo Herr Paschlau,

Danke für Ihre Mail. Ich kann aus zeitlichen Gründen jetzt nur auf die wichtigsten Punkte eingehen.

Nach meinem Verständnis dessen, was die SWM verlautbart haben, wird Nord 2 derzeit sehr wohl im Regelbetrieb für die Fernwärme eingesetzt, weil das für die SWM wirtschaftlich ist, d.h. andere SWM-Anlagen zwar vorhanden, aber teurer wären. Ich gehe davon aus, dass auch ein auf Gas umgestellter Block 2 im Winter für die Speisung der nördlichen Wärmenetze eingesetzt werden wird.

Die Aussage der früheren Gutachten war, dass ein Regelbetrieb wärmeseitig ohne Nord 2 durch Einsatz anderer Anlagen erfolgen könnte, die allerdings höhere Betriebskosten aufweisen. Wenn eine dieser Anlagen ausfällt, müsste auch in diesem Fall aber Nord 2 den Ersatz stellen.

Weil es derzeit (bei Kohlebetrieb von Nord 2) die Alternative gasgefeuerter SWM-Anlagen gibt, war die Vereinbarung einer maximalen Auslastung sinnvoll, um eine Balance zwischen Begrenzung der THG-Emissionen und Kosten der Wärmeerzeugung für München zu finden.

Diese Sichtweise verändert sich grundsätzlich, wenn Block 2 auf Gas umgestellt wird. Ich gehe davon aus, dass diese Anlage dann schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen eher nachrangig zu anderen Münchner KWK-Anlagen eingesetzt werden wird, die vermutlich niedrigere Kosten und auch niedrigere spezifische Emissionen haben. Im Rahmen dessen ,was die Hydraulik des Fernwärmenetzes zulässt, folgt der Anlageneinsatz bei SWM natürlich auch einer betriebswirtschaftlichen Optimierung.

Wie ich vorher beschrieben habe, gibt es nach einer Umstellung von Nord 2 auf Gas daher auf der Wärmeseite keine „klimafreundlicheren Lösungen“ mehr, die nicht schon vorrangig zu diesem Block eingesetzt würden. Einzige Lösung ist hier der noch weiter beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien, worum sich alle Akteure bemühen sollten. Auf der Stromseite gilt m.E. das gleiche: Die in der Merit Order auf Nord 2 mit Gasbetrieb folgenden Kraftwerke haben – anders als Sie es schreiben – sehr wahrscheinlich höhere Emissionen. Dabei geht es um Gaskraftwerke mit relativ niedriger Effizienz und wenig oder keiner Wärmeauskopplung (also relativ hohen spezifischen Emissionen) und um Kohlekraftwerke im europäischen Ausland, sofern diese noch betrieben werden.

Die Argumentation von damals, die sich auf einen Kohleblock bezogen hat, darf also nicht einfach auf einen auf Gas umgestellten Block übertragen werden.

Mit Verlaub: Bei der Lektüre Ihrer Argumentation könnte man den Eindruck gewinnen, dass es Ihnen vorrangig um die Reduktion der THG-Emissionen am Standort Nord geht, und nicht um die Senkung der Emissionen in einer überregionalen Perspektive. Diese aber ist die einzige, die bei THG-Emissionen zählt. Ihre Vorschläge führen m.E. dazu, dass Anlagen mit höheren Kosten und höheren Emissionen eingesetzt werden müssen. Das wäre mit verantwortlicher Klimapolitik nicht zu vereinbaren.

Soweit für heute, vielleicht können wir uns bis zum Klimarat noch weiter austauschen.

Mit besten Grüßen
Christof Timpe
Sprecher der Geschäftsführung

Helmut Paschlau, Dienstag, 27.02.2024

Hallo Herr Timpe,

auf die Schnelle:

Ja, derzeit wird der Kohleblock im Winter bei der Fernwärme gefahren – und auch bei 38% Kohle-Begrenzung gehen weder die Lichter aus in München noch frieren die Fernwärmekunden – warum dann nicht auch 38% bei Gas?!

Einig sind wir, dass die erneuerbare Wärme schnellstmöglich ausgebaut werden sollte. Aber dazu gehört Block 2 mit Gas nicht, weil der dann – nach dem SWM-Paradigmenwechsel – vorrangig strom-geführt nach merit-order bundesweit gefahren werden soll (also nach Rendite, nicht Bedarf in München) . Und weil die Block- 2-Wärme in München mit diversen Heizwerken und Geothermieanlagen regional organisiert ist und zB im Westen oder Süden Münchens ja gar nicht ankommen kann.

Bundesweit merit-order: Ja, wir sind deutlich der Auffassung, dass überall dort, wo die Entscheidungen gefällt werden, also auch in den Stadtparlamenten, die örtliche Verantwortung für Klima wahrgenommen werden sollte. Und in München einerseits der Bürgerentscheid und andererseits die Stadtratsbeschlüsse in Sachen Klima auch für die Stadtwerke gelten müssen. Die Ausrede, was wir tun, diene ja überall dem Klima, wird bei allen Energieversorgern und in allen Kommunen vorgetragen. Wenn der Gas-Block 2 als zusätzlicher Stromanbieter vom kontinuierlichen Strom-Markt rausgenommen und stattdessen auf warm-stand-by gesetzt wird, ist klimaseitig der bestmögliche Nutzen erreicht, ohne dass die Versorgung in München gefährdet wird. Keine Last- und keine Laufzeitbegrenzung beim Gas-Block 2 bedeutet Maximierung der potenziellen CO2-Emissionen aus München, jedenfalls deutlich mehr als Kohle-Ende 2027.

Klimafreundliche Grüße

Für das Netzwerk Saubere Energie München

H. Paschlau

Christof Timpe, Mittwoch, 28.02.2024

Hallo Her Paschlau,

ich weiß Ihr Engagement zu schätzen, aber hier kommen wir inhaltlich leider nicht ganz zusammen.

Die Begrenzung des jährlichen Betriebs war und ist beim Kohleblock sinnvoll, weil es zwar teurere, aber mit weniger Emissionen verbundene Erzeugungsoptionen für die Münchner Wärme und für die Stromerzeugung in Süddeutschland gibt. Nach der Umstellung auf Gas gilt das nicht mehr:

  • Der Block wird dann nach meiner Einschätzung auf der Wärmeseite nachrangig zu allen verfügbaren erneuerbaren Quellen und den effizienteren GuD-Heizkraftwerken am Standort Süd eingesetzt, oder wenn die Hydraulik des Wärmenetzes eine zusätzliche Erzeugung im Norden der Stadt erfordert. Wenn man die Auslastung des Blocks in dieser Situation spürbar einschränkt, würde das vsl. zum vermehrten Einsatz von gasbetriebenen Heizwerken in den nördlichen Teilen des Wärmenetzes führen, die aufgrund der fehlenden Stromerzeugung wärmeseitig höhere Emissionen aufweisen. Damit wäre dem Klima nicht gedient, sondern eher geschadet, und die SWM hätten höhere Kosten der Wärmeerzeugung.
  • Ebenso auf der Stromseite: Während es für ein Kohle-Heizkraftwerk stromseitig emissionsärmere Alternativen in Form von verschiedenen Gaskraftwerken gibt, gilt das nach der Umstellung auf Gas nicht mehr. Auch hier gehe ich davon aus, dass die umgebaute Anlage aufgrund ihrer etwas niedrigeren Effizienz erst nach den effizienten Gaskraftwerken zum Einsatz kommt (oder außerhalb des Betriebs am Strommarkt, wenn es aus Gründen der Netzsicherheit erforderlich ist). Wenn die Anlage im marktgetriebenen Betrieb beschränkt wird, müssen andere Kraftwerke den benötigten Strom erzeugen, und diese haben höhere Emissionen.

Solange wir noch keinen grünen Wasserstoff in ausreichender Menge in Süddeutschland verfügbar haben, brauchen wir leider Gaskraftwerke in der Stromerzeugung als Backup für Wind und Sonne. Dafür kann ein auf Gas umgebauter Block 2 einen wichtigen Beitrag leisten.

Ich kann also nicht erkennen, warum eine Beschränkung des Betriebs eines auf Gas umgestellten Blocks 2 dem Klimaschutz dienen könnte. Im Gegenteil, das führt m.E. letztlich zu höheren Emissionen. Dem Klima wäre also nicht geholfen, aber die SWM würden wirtschaftlich schlechter gestellt, weil ihre Erzeugungskosten für die Wärme steigen und Erlösmöglichkeiten im Strommarkt beschränkt werden. Das würde es den SWM wohl nicht leichter machen, die Investitionen in die klimaneutrale Fernwärme und den weiteren Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung zu finanzieren.

Diese Argumente werden wir wohl auch im Klimarat nochmal austauschen, dort sehen wir uns ja vermutlich.

Mit besten Grüßen

Christof Timpe

Helmut Paschlau, Mittwoch, 28.02.2024

Hallo Herr Timpe,

zum ersten Spiegelstrich: Wenn auch Gas eine Begrenzung von jahresdurchschnittlich 38% bekommt, entfällt Ihr Argument.

Zum zweiten Spiegelstrich: Wir müssen in München ein neues Erdgas-Kraftwerk in den bundesweiten Strom-Markt bringen (das ein Vielfaches an CO2 gegenüber der bisherigen Kohleverbrennung haben wird), weil andere Gaskraftwerke noch schlechtere Emissionswerte haben?? Das ist schon eine gewagte (und unbewiesene) Argumentation.

Und Sie argumentieren wieder überwiegend wirtschaftlich und haben die Interessen der SWM im Blick. Ich dachte, dieser Fokus sei angesichts der Klimakrise und der (erhöhten) Verantwortung, die der Stadtrat für München („Klimaneutralität“) übernommen hat, überwunden ?!

Gruß

H. Paschlau