Man kennt es von Plakaten, Werbetafeln und aus dem Netz: Die Münchner Stadtwerke (SWM) rühmen sich mit einem erneuerbaren, grünen Image, wo sie nur können. In ihrem SWM-Magazin von Januar 2022 heißt es: “Wir decken bereits 90 % des gesamten städtischen Stromverbrauchs mit Ökostrom aus eigenen Anlagen” – und sie planen, “ab 2025 so viel Ökostrom in eigenen Anlagen zu erzeugen, wie ganz München verbraucht.” Klingt toll, oder? Ganz danach, als hätten die SWM die Energiewende schon fast gewuppt. Das fänden wir auch toll. Wenn es denn stimmen würde.
Tatsächlich haben die SWM in den letzten Jahren die Erneuerbaren stark ausgebaut – das anerkennen und würdigen wir natürlich, der richtige Weg! Jedoch gibt es eine Menge „Aber“s, die wir hier anführen müssen – denn wir können das beschönigt-grüne Image, das sich die SWM in ihren Werbekampagnen geben, leider nicht einfach so stehenlassen.
Woher kommt überhaupt der Münchner Strom? Die Anlagen in und um München
Das HKW Süd
- Das HKW (Heizkraftwerk) Süd befindet sich in Thalkirchen und erzeugt seit 1899 (!) Strom für München, Fernwärme seit 1969. Es laufen zwei Gas- und Dampfturbinenanlagen (GuDs), die sowohl Strom als auch Wärme produzieren. GuD1 wie GuD2 laufen mit Erdgas, also fossil.
- Es finden derzeit Modernisierungsarbeiten am HKW Süd statt. Nach Fertigstellung werden auch Deutschlands größte Geothermieanlage und eine umweltfreundliche Fernkälteerzeugung zum Standort Süd dazugehören.
Das Kernkraftwerk Isar 2
- Seit den 80er Jahren sind die SWM zu 25% am Kernkraftwerk “Isar 2” beteiligt. “Isar 2” geht nun im Rahmen des bundesweiten Atomausstiegs Ende dieses Jahres 2022 vom Netz.
Das HKW Nord
- Erzeugt Strom und Wärme seit 1964 in drei Blöcken: Block 1 und Block 3 verbrennen Müll, Block 2 verbrennt Steinkohle und erzeugt damit den größten Teil der Energie am Standort Nord.
- Um diesen Block 2, den Kohleblock des HKW Nord, wird seit Jahren gestritten: Das erfolgreiche Bürgerbegehren “Raus aus der Steinkohle” 2017 hat den Münchner Kohleausstieg und damit das Ende von Block 2 durchgesetzt.
- Für einen Ersatz des Kohleblocks haben die SWM nun primär fossile Ideen: Erst war eine neue Erdgas-betriebene GuD-Anlage angekündigt, nun wird die “Umrüstung” des Kohleblocks auf den Betrieb mit Erdgas geprüft – und das, obwohl umsetzbare Pläne für Erneuerbare von den SWM selbst vorhanden wären…
Erneuerbare Energien
- Mit Wasserkraft erzeugen diverse kleine Kraftwerke in und um München Strom. Die wichtigsten seit Beginn des 20. Jahrhunderts: die Isarwerke 1, 2 und 3 – außerdem drei Pumpspeicherkraftwerke an den Flüssen Mangfall, Leitzach und Schlierach.
- Es gibt einige Geothermieanlagen im Münchner Umland, die erneuerbare Wärme für München produzieren. Die Anlage in Sauerlach kann zusätzlich auch Strom liefern. Weitere sind in Planung, davon ist u.a. die Anlage im HKW Süd bereits fertig.
- Ein Biomasse-Heizkraftwerk erzeugt Strom und Wärme, eine Biogasanlage des Abfallwirtschaftsbetriebs München speist Biogas in das Erdgasnetzwerk ein. Für das HKW Nord haben die SWM zwei Holz-Heizkraftwerke in Planung.
- Die SWM betreiben diverse Photovoltaik-Anlagen in München auf den Dächern ihrer eigenen Gebäude, außerdem zwei Solarparks in Bayern und einen in Sachsen. Die jedoch erzeugen alle nur Strom für wenige tausend Haushalte…
- Windkraft gibt es in München nur in Form der zwei stadtbekannten Windräder im Münchner Norden in Fröttmaning bzw. Freimann. Dass in München keine weiteren Windkraftanlagen errichtet werden können, begründen die SWM mit der dichten Besiedelung der Region und der bayerischen Abstandsregelung (10H) – wofür die SWM ja tatsächlich nichts können.
Warum “90 % Ökostrom in München” schlicht gelogen ist
2019 haben die SWM 2.923,12 GWh fossil erzeugten Strom ins Netz eingespeist [1], und im Netzbereich der SWM in München wurden 173,06 GWh erneuerbarer Strom erzeugt [2]. Setzt man das ins Verhältnis, kommt man auf einen Anteil von erneuerbarem Strom von 5,59 %.
Verbraucht wurden in München 2019 übrigens 6.644,3 GWh Strom, also knapp das Dreifache dessen, was SWM fossil eingespeist haben – die Differenz wird aus dem Strompool des Übertragungsnetzbetreibers TenneT gedeckt. Dieser hatte 2019 einen Ökostromanteil von 64,45%. Das ist alles ziemlich weit von den 90 % entfernt, die die SWM in ihrem oben zitierten Magazin angeben.
Wie kommen die SWM nun trotzdem auf Ihre Behauptung von “90 % Ökostrom”?
Die SWM formulieren, sie würden “ab 2025 so viel Ökostrom in eigenen Anlagen erzeugen, wie ganz München verbraucht.” Das bedeutet aber nicht, dass dadurch automatisch auch nur noch Ökostrom aus unseren Steckdosen kommen wird. Die Stadtwerke sind nämlich zwar an diversen Ökostromanlagen in Europa beteiligt (etwa mit On- und Offshore-Windanlagen in Nordeuropa und einem Solarthermie-Großkraftwerk in Südspanien), die zusammengenommen wohl tatsächlich so viel Ökostrom produzieren werden, wie in allen Sektoren Münchens (Wirtschaft, Wohnen, ÖPNV…) verbraucht wird. Doch dieser Strom kommt nicht bei uns in München an: Strom wird grundsätzlich ungefähr dort verbraucht, wo er produziert wird; schon weil der physikalische Widerstand Strom-Transporte über riesige Entfernungen deutlich erschwert und verteuert; und es gibt keine Extra-Stromtrasse von Südspanien oder Nord-Norwegen nach Oberbayern. Der Strom in unseren Häusern kommt aus den Anlagen in und um München, die wir oben aufgelistet haben.
Deshalb betreiben die SWM perfektes Greenwashing:
- Natürlich brauchen wir in ganz Europa (und der Welt) Ökostrom, nicht nur in München. Wenn die SWM sich also an Ökostromanlagen international beteiligen wollen, ist das grundsätzlich okay. Aber: Für die Energiewende geht es nicht nur darum, Erneuerbare auszubauen, sondern auch darum, Fossile endlich vom Netz zu verdrängen. Aber SWM-Wind-Strom in Norwegen ersetzt dort keine Kohle-Energie (denn die gibt es dort nicht), sondern verdrängt klimafreundliche Wasserkraft. Und da der Strom, der klimaneutral in Südspanien produziert wird, nicht direkt in München ankommt, führt ein von den SWM in Spanien gebautes Solarkraftwerk nicht dazu, dass wir in München unsere Erdgaskraftwerke abschalten können. Wir brauchen erneuerbare Energie hier, bei uns, damit wir sie bei uns nutzen und die fossile Energie damit ersetzen können!
- Die SWM lassen außerdem vornehm weg, dass sie über die deutschen Grenzen hinaus auch an fossiler Energie-Förderung nicht unwesentlich beteiligt sind – siehe Spirit Energy. Diese Energie ist ganz und gar nicht Öko, weshalb das oben zitierte SWM-Magazin die Beteiligung auch nur am Schluss erwähnt und abwiegelt, mein sei eigentlich schon dabei, dort auszusteigen. Warum das nicht stimmt, hier. In puncto Erdgas (jetzt und in SWM-geplanter Zukunft ein wichtiger Bestandteil der Münchner Energieerzeugung und nicht Öko!), reden sich die SWM mit dem Narrativ Brückentechnologie und Wasserstoff bzw. Kohlenstoff-Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) heraus – auch dazu haben wir hier Stellung genommen.
Warum ist das Greenwashing gefährlich?
Wenn die Münchner*innen nun glauben, die Energiewende hier sei quasi schon gegessen, wer wird sich dann noch eine Photovoltaikanlage freiwillig aufs Dach bauen? Wer wird sich noch über Wärmepumpen im eigenen Haus Gedanken machen? Wie geduldig werden die Menschen mit umständlichen Umbaumaßnahmen z.B. für Fernwärmeverlegung sein, wenn sie doch denken, “Eigentlich haben wir ja eh schon fast komplett Ökostrom”? Die Klimakatastrophe ist so weit fortgeschritten und erfordert so tiefgehende Verhaltensänderungen, dass auf Passivität zielende Botschaften der Art „Wir haben das schon gemacht – wir haben alles im Griff“ völlig unangebracht sind. Wir müssen alle am selben Strang ziehen und die Energiewende vorantreiben, die SWM genauso wie wir Münchner*innen im Rahmen unserer Möglichkeiten. Beruhigung der Bevölkerung ist nicht mehr angemessen!
Außerdem haben die SWM die Münchner Energiewende nicht im Griff und blicken immer noch zu stark auf ihre eigenen Profite als auf die Klimakrise. So scheint es jedenfalls, wenn man sich die SWM-Pläne ansieht, den Kohleblock im HKW Nord auf Erdgas umzustellen: Die Begründung, möglichst schnell aus der Kohle aussteigen zu wollen, ist hier nur Vorwand, um dauerhaft und unter Vollast für die nächsten Jahrzehnte profitabel fossiles Erdgas verbrennen zu können. Das beweist uns einmal mehr: Solange München nicht tatsächlich zu 100% mit erneuerbarer Energie bei Strom wie Wärme versorgt ist, lassen wir deshalb nicht locker!
Quellen:
Anregung und Berechnungen mit Dank von Horst Wawrzyn.
[1] Die Bundesnetzagentur veröffentlicht den fossil erzeugten Strom der SWM-Kraftwerke: https://www.smard.de/home/downloadcenter/download-kraftwerksdaten Im Feld „Kraftwerk wählen“ sind sie unter den Namen „Heizkraftwerk München Süd GuD1“, „Heiz kraftwerk München Süd GuD2“ und „München Nord 2“ geführt. Die heruntergeladenen Daten geben die in jeder Stunde abgegebene Leistung in MW an. Aufaddieren und Division durch 1000 ergibt also die eingespeiste Energie in GWh. Die Bundesnetzagentur fragt diese Daten bei der Transparenz-Plattform der europäischen Übertragungsnetzbetreiber ab: https://transparency.entsoe.eu/generation/r2/actualGenerationPerGenerationUnit/show . Dort findet man sie, wenn man im Reiter „Control Area“ „Germany“ anwählt und dann in der Auswahl „TenneT GER“ und anschließend im Feld „Unit Search.Unit Name“ „Sued“ bzw. „Nord 2“ eingibt.
[2] Die erneuerbare Stromerzeugung im Netzbereich der SWM wird gemäß EEG von der SWM veröffentlicht: In der dort für das „Abrechnungsjahr 2019“ herunterladbaren Datei „anlagendaten (XLSX)“ steht in Zelle (I,8) die Summe der eingespeisten Energie in kWh. Da die SWM ihre Websites gelegentlich umstrukturieren, muss man u.U. neu nach den aktuellen Angaben suchen. Man findet sie, wenn man auf https://www.swm-infrastruktur.de im Suchfeld „Veröffentlichungspflichten“ eingibt und dann unter Strom bei „Netzstrukturdaten“ „nach § 77 EEG“ anklickt.
Das RKU wertet diese Daten aus und stellt auf https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und- Umwelt/Klimaschutz_und_Energie/Regenerative_Energiequellen/Ueberblick.html unten auf der Seite bei „Weiterführende Informationen“ einen Überblick darüber online: https://www.muenchen.de/rathaus/dam/jcr:7401a2b4-e026-4077-9275- 4c3751b81568/web_eeg_anlagen_muc_2019_final.pdf Gegenüber den 173,06 GWh der SWM meldet das RKU nur 145,8 GWh, weil nur die im Stadtgebiet liegenden Anlagen erfasst werden und nicht auch die im Umland.
Weitere Quellen: